Bochum. Eine Ausstellung in der Sparkasse erinnert an den brutalen Umgang der Nazis mit geistig Behinderten oder psychisch Kranken.

Wem fällt die Schule schon leicht? Ella D. (Name geändert) hat sich besonders schwer getan: Von der Volksschule runter auf die Hilfsschule, auch dort lief es nicht gut. Trotzdem, einen Job als Haushaltshilfe hat sie – das verdient Respekt. Das sah man 1939 anders. Ella ist eine von 600 000, an deren Schicksal die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus erinnert“. Das Projekt der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist in der Sparkasse am Dr.-Ruer-Platz zu sehen.

„Die Täter waren Ärzte und Juristen, Pfleger und Verwaltungsbeamte“, sagt Frank Schneider vom DGPPN. „Es waren nicht Einzelne, sondern die Masse unseres Fachs, die sich an den Verbrechen beteiligt haben.“ Deshalb dieses Stück längst überfällige Aufarbeitung: Ärzte und Psychiater, sagt er, hätten zu lange geschwiegen. Die Ausstellung zeigt Opfer und Täter, nicht als Irre und Ärzte, sondern als Menschen: bei der Karnevalsfeier oder im Garten. Sie offenbart die Arroganz der (Pseudo-)wissenschaft, die älter ist als das Nazi-Regime. Die Idee, „unwertes Leben“ zum Wohle von Nation oder „Rasse“ auszusondern, per Mord oder Zwangssterilisation, entspringt dem Fortschrittswahn des 19. Jahrhunderts, lehrt die Ausstellung. Dies verdeutlicht eine Zitat-Collage, Unwörter wie „Ballastexistenz“ treiben kalten Schweiß auf den Rücken.

Die Nazis haben die Perversion institutionalisiert, etwa als „Erbgesundheitsgericht“, den es auch im Ruhrgebiet gab. 800 Menschen wurden von hier deportiert, 600 getötet, weiß Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Klinikums. Über ihn kam der Kontakt zur DGPPN zustande und damit die Ausstellung nach Bochum. „Es ist wichtig, die Abgründe unserer Berufskollegen wahrzunehmen“, findet er. Sehenswert ist die bedrückende, aber auch beeindruckend aufbereitete Ausstellung aber für jeden. Gerade heute, findet Eckard Sundermann, Vorsitzender der kommunalen Inklusionskonferenz: „Wenn wieder mit dem Begriff ‘völkisch’ gearbeitet wird, ist es nicht mehr weit zur ‘Rassenhygiene’“, sagt er in Bezug auf jüngste Aussagen der AfD-Chefin Petry.

Ella, die sich trotz Schwierigkeiten ihren Platz in der Gesellschaft erkämpft hat, fiel diesen Begriffen zum Opfer, den Waffen der Schreibtischtäter. Die „Diagnose“, unterzeichnet von einem Bochumer Amtsarzt: angeborener Schwachsinn. „Um erbkranken Nachwuchs zu verhüten, muss die beantragte Unfruchtbarkeit erfolgen.“