Von Bochum geht die Initiative einer mehrbändigen „Studienreihe Luther“ aus. Anlass ist das 500. Reformations-Jubiläum im nächsten Jahr. Nun ist der 8. Band erschienen, „Thomas Müntzer und Martin Luther“, verfasst von Günter Brakelmann (84). Die WAZ sprach mit dem Theologie-Professor.

Worum geht es in Ihrem Buch?

Brakelmann: In Anlehnung an die Haupttexte der beiden frühen Parteigänger und dann heftigsten Kontrahenten, also Luther und Müntzer, habe ich versucht, die theologischen und politischen Kontroversen der Zeit Anfang des 16. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Es handelt sich wie bei allen Veröffentlichungen der Reihe, an denen verschiedene Autoren beteiligt sind, um eine Art Erwachsenenbildungsprogramm. Vielen ist das Thema Reformation ja überhaupt nicht mehr vertraut. Wir leben in geschichtsvergessenen Zeiten.

Was hat Sie persönlich an Luther interessiert?

Von Jugend an war er mein bevorzugter Forschungsgegenstand, auch wenn mein wissenschaftlicher Schwerpunkt später die Ethik war. Seit meiner Emeritierung vor 20 Jahren habe ich mich wieder Luther zugewandt. Mich interessiert vor allem der Mensch Martin Luther, und welche Größe und welche Grenzen er hatte.

Was macht seine Größe aus?

Er war ein einfacher Mönch in einem Städtchen Wittenberg am Rande Europas, aber er ist erzürnt, wie verkorkst die katholische Kirche seiner Zeit ist, Stichwort: Ablasshandel. Aus dieser Erkenntnis formuliert er 95 Thesen, sie werden zum Generalangriff auf die Gewissensdiktatur der katholischen Kirche. Vor dem Hintergrund der Säkularisierung und des emanzipierten Bürgertums bekommen seine Aussagen in der Renaissance eine unglaubliche Kraft.

Wo lagen Luthers Grenzen?

Ich würde sagen, in seiner Erkenntnis der Mehrdeutigkeit des Menschlichen. Zwar sieht er, dass der Mensch fähig ist zum Guten, aber andererseits ist der Mensch auch ein Schwein und ein Mörder. Luther glaubte an den Teufel, weil er akzeptierte, dass die Welt niemals nur „gut“ oder durchweg „böse“ sein kann, sie ist immer beides.

Was hat Martin Luther uns heute noch zu sagen?

Ich bin der Meinung: viel. Wenn wir ihn als Theologen wiederentdecken und nicht als Ideologen, zu dem er ja auch immer wieder gemacht wurde. Die Kirche sollte sich an der Bibel orientieren, an der Anerkennung dessen, was im Neuen Testament über Jesus gesagt wird. Diese Grundlage des Theologischen bei Martin Luther wollen wir in der Buchreihe für uns Heutige überführen.