Bochum. . Im Rahmen unserer Sommerserie „Die WAZ öffnet Pforten“ besichtigten Leser das städtische Krematorium. Ein außergewöhnlicher Termin.
- 2300 Verstorbene werden hier pro Jahr eingeäschert
- In der Brennkammer herrschen rund 1000 Grad
- Urnenbestattungen sind deutlich preiswerter als Beerdigungen im Sarg
Die Metallklappe hebt sich auf Knopfdruck. Tiefrot leuchtet die Glut; die Feuersbrunst ist noch Meter entfernt zu spüren. Wort-, scheinbar emotionslos hievt der Einäscherungswart den schlichten Sarg mit einem gelben Gabelstapler in den Schlund. Fast 1000 Grad Hitze herrschen in der Brennkammer. Begierig ergreifen die züngelnden Flammen Besitz vom Holz.
Nach 15 Sekunden schließt sich die Klappe. „Das war’s“, sagt Peter Dittert. Die WAZ-Leser sind ergriffen. Stumm. Manche in Gedanken versunken. „Das war’s.“ Stimmt. So schnell wird der menschliche Körper zu Asche und Staub.
Eine Einäscherung kostet rund 250 Euro
Seit Jahren öffnet die WAZ im Sommer Pforten. Der Besuch des Krematoriums im laufenden Betrieb ist der bislang wohl außergewöhnlichste Termin der Ferienreihe. Das zeigte die große Resonanz auf unseren Aufruf. Das bestätigt Peter Dittert, der als Leiter der Friedhofsunterhaltung für das Krematorium verantwortlich ist. „Normalerweise“, sagt er, „kommt hier kein Außenstehender rein.“
Die WAZ-Gruppe ist drin, in Altenbochum, unter dem Hauptfriedhof am Freigrafendamm, im 1942 errichteten und 1992 erneuerten Krematorium. In zwei Schichten wird von 5.30 bis 22.30 Uhr gearbeitet. Die Auslastung ist beträchtlich. Drei von vier Verstorbenen werden inzwischen per Feuerbestattung beigesetzt. 2361 waren es 2015 in Bochum – bei 861 Sarg-Beerdigungen. Wie es zu diesem Trend komme, fragt ein WAZ-Leser. Eine Einäscherung ist deutlich preiswerter (245,14 Euro), antwortet Peter Dittert. Die einfachere Grabpflege ist ein weiterer Grund.
Die Leser „nehmen den Gang eines Verstorbenen“, wie es Dittert formuliert. Von den Aufbahrungskammern und Trauerhallen geht es treppab ins Krematorium. Die Sarganlieferung erfolgt rückwärtig, vor den Blicken der Friedhofsbesucher geschützt. In der Kühlhalle überkommt die Leser ein Frösteln. Vier Grad. Die Fliesenwände: kalt wie das Neonlicht. Särge stehen in Reih und Glied, versehen mit Nummern und den handschriftlichen Namen der Verstorbenen. Gertrud K., Wolfgang S., Helga M.: Das heutige Tagesprogramm.
Ab 2018 dürfen Angehörige dabei sein
Maximal zehn Tage dürfen die Leichname aufbewahrt werden. So schreibt es das Gesetz vor. Ebenso wie eine zweite Leichenschau. „Sicher ist sicher“, sagt Dittert, der eine „laue Auftragslage“ verzeichnet. Das sei in der Urlaubszeit oft so, sagt er: „Manche Angehörige bitten uns wegen der Ferien, die Oma noch etwas liegen zu lassen.“
Nur einer der beiden Öfen ist heute in Betrieb. Eine Einäscherung dauert 50 bis 70 Minuten („je nach Körpergewicht“). Heißt: sieben Kremierungen pro Ofen und Schicht, bei Vollauslastung 28 pro Arbeitstag. Die reichen mitunter nicht aus: „Zu Spitzenzeiten sind wir auch am Wochenende hier.“
Mit Respekt vor dem Toten, in gebotener Zurückhaltung, postieren sich die WAZ-Leser im „Beschickungsraum“. Stumm schauen sie zu, als der Holzsarg binnen Sekunden vom Flammenmeer verschluckt wird. Noch ist es verboten. Doch ab 2018 sollen die Angehörigen diesem allerletzten Gang ihrer Liebsten beiwohnen dürfen. Dann sollen die Särge auf Schienen in die Öfen gleiten. Das ist sicherer und würdiger als der schnöde Transport per Gabelstapler.
„Das war’s“. - Am Ende bleiben drei Kilo Asche übrig
Im Büro kontrollieren die Mitarbeiter (zwei bis drei pro Schicht) die Einäscherung am Computer. Durch eine Sichtöffnung können die Leser ins Innere des Ofens gucken. Alle schauen schnell wieder weg. Nichts für Zartbesaitete ist auch der Inhalt der Aschenkiste, aus der die Beschäftigten per Hand Metallreste fischen: künstliche Gelenke ebenso wie Herzschrittmacher. Die verbliebenen sterblichen Überreste werden in einer Mühle verfeinert. Rund drei Kilo Asche sind es, die am Ende in eine Kapsel gefüllt und für die Urnenbestattung bereitgestellt werden.
„Das war’s“, sagt Peter Dittert. „Auf Wiedersehen.“ Nun ja...