Das Leben des Wilhelm Hünnebeck. Der Anwalt wurde von den Nazis gleich doppelt stigmatisiert. Verfolgt als so genannter Halbjude und Homosexueller.

Die verstörende Leidensgeschichte des Bochumer Anwalts Dr. Wilhelm Hünnebeck (1897–1976) ist es, die der Psychologe und Mitarbeiter der „Rosa Strippe", Jürgen Wenke, in jahrelanger Forschungsarbeit zusammengetragen hat. Es ist das Schicksal eines zur Zeit des Nationalsozialismus gleich doppelt stigmatisierten Mannes, der als so genannter „Halbjude" und Homosexueller seiner Lebensgrundlage beraubt wurde.

Hünnebeck wurde der Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein gebracht, als vor einem Jahr für ihn der erste Stolperstein für einen von den Nazis verfolgten Homosexuellen am Ort seiner Wohnung Bergstraße/Ecke Am alten Stadtpark verlegt worden ist.

Villa Hünnebeck an der Huestraße, 04.11.2008 Bochum, eingereichtes Fremdbild, Quelle Stadtarchiv
Villa Hünnebeck an der Huestraße, 04.11.2008 Bochum, eingereichtes Fremdbild, Quelle Stadtarchiv © WAZ

Wilhelm Hünnebeck entstammt einer angesehenen Bochumer Anwalts- und Notarsfamilie. In der herrschaftlichen Villa der Familie, Wilhelmstraße 17, der heutigen Huestraße, wuchs er mit seinen Brüdern Paul und Otto, die beide im ersten Weltkrieg ums Leben kamen, und seiner jüngeren Schwester Agnes auf. Nach dem Tod des Vaters wurde die Villa an die Stadt verkauft. 1924 baute die Westfalenbank dort ihr Verwaltungsgebäude. Die Bank vermietete, so recherchierte Jürgen Wenke, nach 1933 zahlreiche Räume an die NSDAP. Dort bezog der Gau Westfalen-Süd sein Hauptquartier.

Dabei war Wilhelm Hünnebeck eher ein national gesinnter Bürger. Er war im gesellschaftlichen Leben der Stadt engagiert. Als Mitglied des Bürgerschützen-Vereins (heute Maischützen) war er in den 20er-Jahren Junggesellenhauptmann und 1929 Schützenkönig (Foto oben). Da seine Mutter aus einer jüdischen Familie stammte, galt er den Nazis als Halbjude. Doch der perfiden Logik der Rassenideologie folgend durfte er keine Juden mehr vertreten. Nichtjüdische Menschen bleiben seiner Kanzlei jedoch genauso fern. Seine Homosexualität musste er verstecken. Er wurde denunziert. Zwei Männer zeigten ihn an, weil er sie aufgefordert hätte, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen.

Seine Arbeit durfte er von 1940 bis 1942 nicht ausüben. Er kam drei Monate in Haft. Sein Doktor-Titel, erworben an der Universität Göttingen, wurde ihm aberkannt. Seine Mitgliedschaft bei den Bürgeschützen hatte er schon vorher niedergelegt. Nach 1941 fand er eine Anstellung beim Ostelbischen Braunkohlenkombinat. Nach dem Krieg heiratete er Gertrud Völker, wohl um einen gesellschaftlichen Neuanfang beginnen zu können.

Mit dem Untergang des Nazi-Reiches endete der Leidensweg für Wilhelm Hünnebeck keinesfalls. Als er erneut seine Zulassung als Anwalt beantragte, wurde bekannt, dass er 1940 rechtskräftig nach 175 StGB verurteilt worden war. Erneut wurde er wegen „Gleichgeschlechtlicher Unzucht" 1956 zu neun Monaten Haft und einer Geldstrafe von 500 DM verurteilt. Er verließ Berlin und versuchte in Hamburg Fuß zu fassen, wo er bis zu seinem Tod am 4. September 1976 lebte. Als alter Mann soll Hünnebeck ein Zyniker gewesen sein, der zudem reichlich dem Alkohol zugesprochen haben soll. Begraben wurde er in der Familiengruft auf dem Blumenfriedhof.

Buch geplant

Über die Familie Hünnebeck wird ein Buch vom Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte herausgegeben. Darin enthalten sind Recherchen von Jürgen Wenke. Der Historiker Dr. Hubert Schneider wird sich der Lebenswege der Eltern und Geschwister annehmen. Ebenfalls wird die Archivarin Susanne Schmidt sich mit einem Beitrag beteiligen. Wer Interesse an einem Stadtspaziergang zu den Lebensstationen von Wilhelm Hünnebeck hat, kann sich an Jürgen Wenke wenden: 0234/64 04 621 oder E-Mail orga@rosastrippe.de