Bochum. SBO erteilt Lebensgefährtin eines Bewohners ein Hausverbot. Sie hatte schwere Vorwürfe gegen das Personal erhoben. Die seien haltlos, sagt auch der Betreuer.
„Wir haben uns die Sache nicht einfach gemacht“, betont Frank Drolshagen. „Aber eine einvernehmliche Regelung war nicht mehr möglich.“ Der Geschäftsführer der Senioreneinrichtungen der Stadt Bochum (SBO) spricht von einem „bislang einzigartigen Vorgang“: Die Angehörige eines Heimbewohners hat Hausverbot erhalten.
Seit 2013 lebt Heinrich T. im SBO-Haus an der Graf-Adolf-Straße in Wattenscheid. „Vom ersten Tag an begann der Ärger“, berichtet Leiterin Barbara Storck. Elsbeth B., Lebensgefährtin des heute 85-Jährigen und im Besitz einer Vorsorgevollmacht, habe die Mitarbeiter ständig beschimpft und „in übelster Form“ Kritik an angeblichen Versäumnissen bei der Pflege und Betreuung geübt.
„Mit Recht“, bekräftigt die Seniorin gegenüber der WAZ. Nach „der anfänglichen Schönfärberei“ habe sie alsbald „die grausame Wirklichkeit“ in dem Heim mit seinen 84 Bewohnern erkannt. In Schreiben u.a. an die SBO-Geschäftsführung und die Stadt ist von Unfähigkeit, Faulheit, Lügen, Nötigung, Unterschlagung von Bewohnergeldern und einer „Horror-Herrschaft“ die Rede.
Sozialamt wies Vorwürfe zurück
Im Januar wies das Sozialamt als Heimaufsicht nach einer unangemeldeten Prüfung sämtliche Vorwürfe zurück. „Wir haben die Angriffe trotzdem noch weiter geschluckt, weil wir merkten, dass die Besuche von Frau B. ihrem Lebensgefährten, der schwer dement ist, gut taten“, erklärt SBO-Chef Drolshagen. Zunächst sprach dann aber der Pächter der Cafeteria ein Hausverbot aus. Ein Polizeieinsatz, bei dem Elsbeth B. des Heimes verwiesen wurde, und ein erneutes Pamphlet u.a. an ein CDU-Aufsichtsratsmitglied habe auch für die SBO das Fass zum Überlaufen gebracht. Seit April darf die Lebensgefährtin das Haus nicht mehr betreten: „auch deshalb, weil den Bewohnern das Geschreie und Gezänk nicht mehr zuzumuten war. Die bekommen Angst“, so SBO-Anwalt Stephan Heupel-Wichmann.
„Mein Lebenspartner wird mir entzogen. Ich werde als wilde Furie dargestellt. Dabei will ich meinem Heinz doch nur beistehen und ihn davor bewahren, komplett zu verwahrlosen“, sagt die Wattenscheiderin, die ihrerseits ein Bochumer Anwaltsbüro eingeschaltet hat und sich gegen das Hausverbot wehrt.
Hauptamtlicher Betreuer bestellt
„Verzichtet Frau B. auf weitere Beleidigungen und unterschreibt eine Unterlassungserklärung, können wir darüber reden“, so Drolshagen. Keine Gesprächspartnerin sei die Lebensgefährtin bei der Frage, ob T. weiter an der Graf-Adolf-Straße wohnen soll. Zwar will Elsbeth B. „meinen Heinz so schnell wie möglich dort raus haben“. Die Vermögenssorge, seit März auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht jedoch obliegen einem hauptamtlichen Betreuer. „Alle Verdächtigungen haben sich als haltlos herausgestellt. Ich sehe deshalb keine Veranlassung, Herrn T. aus dem Heim zu holen“, erklärt der Jurist.
Derweil verweist die SBO auf die jüngste Bewertung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der dem Haus an der Graf-Adolf-Straße die Note 1,1 gibt.
Tiefes Zerwürfnis - Ein Kommentar von Jürgen Stahl
Tiefer könnte das Zerwürfnis kaum sein: Es besteht wenig Hoffnung, dass der jahrelange, eskalierende Streit zwischen der Angehörigen und der SBO noch gütlich beigelegt werden kann. Zu tief erscheinen die Gräben zwischen Heimleitung und der Seniorin. Zu ehrabschneidend sind deren Angriffe gegen die Mitarbeiter.
Dabei überdeckt die Auseinandersetzung einen Missstand, den betroffene Familien nur allzu gut kennen. Heimübergreifend ist die Personalsituation in den Einrichtungen angespannt. Die (meist allzu positiven) MDK-Bewertungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade die Betreuung Demenzkranker nicht zufriedenstellend ist.
Zu wenige Fachkräfte für zu viel knüppelharte Arbeit, zu wenig Zeit für zu viel alleingelassene Bewohner: Bei der stationären Pflege und Zuwendung (und im ambulanten Bereich sieht es nicht besser aus) liegt manches im Argen. Die Angehörige mag in ihrer Wut und Sorge übers Ziel hinausschießen. Der Kern ihrer Kritik ist aber berechtigt: Unser Sozialstaat muss endlich mehr Geld für eine würdige Altenpflege bereitstellen.