Bochum.. Nach dem Tod ihres Vaters versäumten es vier Geschwister, auch das Erbe ihrer Mutter auszuschlagen. Nun sollen sie 24.000 Euro an die Bank zahlen.
Sie hoffen auf Kulanz. Vor allem aber wollen sie warnen. Denn: Erben kann arm machen, wissen vier Geschwister, die nach dem Tod ihres Vaters vor einem Desaster stehen. Bis Ende dieser Woche sollen sie 24.000 Euro an die Deutsche Bank zahlen. Ansonsten droht ihnen ein Inkasso-Verfahren.
„Er starb an Herzschmerz“, sagt Sylvia C. Im August 2015 starb ihr Vater im Alter von 71 Jahren – gut ein Jahr nach dem Tod seiner Frau (70) „den er nie verkraftet hat“, wie seine Tochter berichtet. Die Lindenerin und ihren drei Brüdern war bewusst: Die Eltern hatten keinerlei Vermögen, waren einfache, bescheidene Leute. „Sie haben nie über Geld geredet. Wir dachten, sie kommen gerade über die Runden. Deshalb gab es auch kein Testament“, sagt die 52-jährige Tochter.
Kreditvertrag war den Kindern nicht bekannt
Dass das Ehepaar beträchtliche Schulden hatte, sei den Kindern erst klar geworden, als sie nach Vaters Tod in dessen Unterlagen einen Kreditvertrag der Deutschen Bank fanden. Abgeschlossen 2013 über 33.500 Euro. Gut 24.000 Euro davon sind noch offen.
Die Geschwister schalteten unverzüglich einen Notar ein, der eine Ausschlagungserklärung für das Erbe des Vater beim Amtsgericht einreichte. „Wir dachten, damit sei alles erledigt“, schildert die Tochter. Um so entsetzter war sie, als sich wenig später die Bank meldete. Zwar habe man die Erbausschlagung für den Vater „in unserer Akte vermerkt“. Da für den Nachlass der Mutter jedoch keine Erklärung vorliegt, „fordern wir die Begleichung der rückständigen sowie zukünftigen Raten bei den Erben“.
Erst jetzt sei den Geschwistern gewahr geworden, dass 2013 auch ihre Mutter den Kreditvertrag unterschrieben hat. „Das hätte der Notar erkennen müssen. So hätten wir auch Mutters Erbe ausschlagen können“, kritisiert die Familie den Juristen. Der verweist auf Anfrage auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Danach muss eine Ausschlagung innerhalb von sechs Wochen erfolgen. „Diese Frist war bei der 2014 verstorbenen Mutter längst abgelaufen“, weist der Notar jede Verantwortung zurück und bekräftigt gegenüber Sylvia C. und ihren Brüdern: „Sie müssen für den Nachlass gemeinschaftlich haften.“
Geldinstitut lehnt Vergleich ab
Ein weiterer von den Geschwistern beauftragter Anwalt versuchte zu retten, was zu retten ist. In Schreiben an die Deutsche Bank bat er um eine gütliche Einigung. Die Einkommensverhältnisse der Tochter und der Söhne „erlauben es nicht, einen Betrag von rund 24.000 Euro aufzubringen“. Sein Vorschlag: Die Erbengemeinschaft zahlt 12.000 Euro pauschal und stottert die Restschuld in 250-Euro-Raten ab.
Signalisierte die Bank anfangs Entgegenkommen („...sind wir an einer Lösung interessiert“), scheinen die Fronten nun verhärtet. Die Bank, die auf WAZ-Anfrage mit Verweis auf das Bankgeheimnis keine Presseauskünfte gibt, lehnt den Vergleich ab. Ende letzter Woche die Hiobsbotschaft für die Geschwister: Das Darlehen wird gekündigt, die Erben sollen die ausstehenden 24.000 Euro komplett und in einer Summe zurückzahlen.
Sylvia C. ist erschüttert. „Wir werden in den Ruin gestürzt. Dabei wussten wir nichts von den Schulden.“ Die müssen die Geschwister nun wohl selbst aufnehmen.
Jurist rät: Eltern und Kinder sollten rechtzeitig offen über Geld reden
Über Geld spricht man nicht? Diese Art von Schweigegelübde sollten Eltern und Kinder keinesfalls beherzigen, rät Notar Günter Bernhörster. Noch zu Lebzeiten sollten Eltern ihre Kinder offen und vertrauensvoll in ihre finanzielle Lage einweihen. „Wenigstens ein Hinweis sollte erfolgen: ,Wenn etwas passiert, guckt in den Ordner.’“
Hinterlassen Vater oder Mutter Schulden, können die Nachfahren das Erbe persönlich oder per Notar beim Amtsgericht ausschlagen – aber nur binnen sechs Wochen. Die Frist beginnt mit dem „Kenntnis vom Anfall der Erbschaft“.
Genau deshalb wäre eine Ausschlagung auch in dem von der WAZ geschilderten Fall möglich gewesen, sagt der Notar. Die Nachfahren hätten erst nach Vaters Tod erfahren, dass es einen auch von Mutter unterschriebenen Kreditvertrag gibt. Somit hätte die Chance bestanden, unverzüglich auch Mutters Erbe auszuschlagen und der Schuldlast zu entgehen. „Das ist nicht geschehen“, so Bernhörster. „Nun ist der Ofen leider aus.“