Bochum. Verkehrsingenieur Rainer Wiebusch-Wothge von der Ruhr-Uni hält Messaktion wegen des psychologischen Effekts für sinnvoll. Neuer Ansatz bei der Aktion.

„Zu teuer“ oder „PR-Gag“ – Seit seiner Einführung 2012 ist der Blitzmarathon teils heftig kritisiert worden. Nun steht am kommenden Donnerstag, 21. April, die neunte Auflage der flächendeckenden Geschwindigkeitskontrolle an. Auch in Bochum wird an zahlreichen Messstellen in der Stadt geblitzt – zurecht, sagt Verkehrsingenieur Rainer Wiebusch-Wothge. „Jedes Gesetz ist nur soviel wert, wie es überwacht wird“, argumentiert der Forscher am Lehrstuhl für Verkehrswesen an der Ruhr-Uni.

Zwar sei die Zahl der geblitzten Temposünder im Vergleich zum Aufwand eher gering. Durch die angekündigten Kontrollen zeige die Polizei vor allem eines: Präsenz im Straßenverkehr – und zwar an Stellen, wo sie sonst selten steht. Zwar konnten die Bürger bei dieser Auflage keine „Wutpunkte“ (Stellen, die sie subjektiv als besonders gefährlich empfinden) melden. Aus den vorherigen Auflagen des Blitzmarathons seien aber noch genug solcher Stellen bekannt, an denen die Polizei auch dieses Mal wieder kontrollieren werde, sagt Wolfgang Beus, Sprecher des zuständigen NRW-Innenministeriums. „Geschwindigkeitsunfälle gibt es überall. Deshalb kann auch überall gemessen werden.“

Auswirkungen sind messbar

Dass es zu schnelle Autofahrer an jeder Ecke erwischen könne, habe einen messbaren psychologischen Effekt, sagt Forscher Wiebusch-Wothge. „Mehrere Tage lang nach einem Blitzmarathon sind Autofahrer noch langsamer unterwegs.“ In der aktuellen Auflage des Blitzmarathons gilt das Augenmerk dem Opferschutz. „Polizeibeamte werden an prägnanten Messstellen zu schnelle Verkehrsteilnehmer ansprechen und von eigenen dramatischen Erlebnissen an Unfallstellen berichten.“ So sollen die Folgen eines Unfalls für Opfer und Angehörige verdeutlicht werden. „Zu hohe Geschwindigkeit ist Ursache für jeden dritten Unfalltod“, sagt Beus.

Eine Strategie, die Wirkung zeigen dürfte, findet Wiebusch-Wothge und zieht einen Vergleich heran: „Unser Lehrstuhl hat gemeinsam mit der Polizei bereits mit Kindern zusammen vor einer Schule Messungen gemacht. Die Ansprache der Kinder über mögliche Folgen von zu hohem Tempo brachte die Autofahrer sichtbar zum Nachdenken.“ Es gehe darum, zu zeigen, dass es kein Kavaliersdelikt sei, sagt der Forscher. „Erst recht nicht bei dem dichten Verkehr heute.“

Vorbild USA

Häufigere Blitzmarathons, so der Verkehrsexperte, brauche es aber nicht. Sein Vorbild bei Geschwindigkeitskontrollen sind die USA. „Dort kann aus jedem Polizeiauto oder -motorrad immer und überall gemessen werden. Auch ein Bußgeld, das sich in der Höhe nach dem Einkommen des Verkehrssünders richtet, hält er für sinnvoll.

Eine Stadt in NRW die zeigt, wie es gehen könnte, sei Krefeld, sagt der Forscher „Seitdem dort neue Messwagen angeschafft wurden und die Polizei massiv kontrolliert, ist das Problem geschwindigkeitsbedingter Verkehrsunfälle stark zurückgegangen.“ Bochum stehe übrigens bei der Zahl der Unfälle im Vergleich „gar nicht so schlecht da“, sagt Wiebusch-Wothge.

Polizei rückt Opferschutz in den Fokus 

Der Blitzmarathon am 21. April dauert von 6 bis 22 Uhr. Die Polizei kontrolliert an ausgewählten Stellen in der Stadt die Geschwindigkeit, um auf die Folgen von überhöhter Geschwindigkeit aufmerksam zu machen. Die Aktion läuft nicht nur in Bochum und NRW, sondern europaweit. Sie ist diesmal mit 16 Stunden kürzer als früher (bislang waren es 24 Stunden).

Die Polizei wird in ihrem Einsatzereich (Bochum, Herne und Witten) mit rund 40 Beamten im Einsatz sein. „Das sind weniger als es bisher beim Blitzmarathon waren“, sagt Polizeisprecher Volker Schütte. Anzahl und Standorte der Messstellen werden in der kommende Wochen bekannt gegeben.

30-Jähriger bei Unfall gestorben

Kontrolliert werden soll aber mit Sicherheit am Castroper Hellweg. Ein 30-Jähriger verunglücke dort vor circa zwei Jahren tödlich mit seinem Auto. Der Mann kam bei stark überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab und raste in eine Straßenbahnhaltestelle.

„Wir haben bewusst eine Stelle gewählt, an der es einen schweren Unfall gab“, so Schütte. Bei der Kontrolle vor Ort wollen die Polizisten – unterstützt von Notfallseelsorgern oder Feuerwehrmännern – den Temposündern eigene Erlebnisse an Unfallstellen schildern, um die Autofahrer für die Folgen eines Unfalls für Opfer und Einsatzkräfte zu sensibilisieren.