Bochum. . Mit „Ich, Judas“ gastiert der Schauspieler in der ausverkauften Christuskirche. 850 Besucher werden Zeuge großer, intelligenter Schauspielkunst.

Nach fast zwei Stunden, in denen er den biblischen Judas verkörpert hat, liegt Ben Becker erschöpft auf dem Lesepult im Altarraum der ausverkauften Christuskirche. Er genießt den Applaus, die stehenden Ovationen, und sagt: „Wenn einem jetzt, nach dieser kleinen Idee, die ich hatte, so etwas wie Liebe entgegen kommt, dann ist das wunderbar. Ich danke euch Bochum.“

Die Ergriffenheit scheint nicht gespielt. Der 51-jährige Schauspieler aus der bekannten Künstlerfamilie Becker/ Sander hat die etwa 850 Zuschauer mit seiner Darstellung berührt.

Basierend auf Texten des israelischen Schriftstellers Amos Oz (aus dem Roman „Judas“) und von Walter Jens („Die Verteidigungsrede des Judas Ischariot“) taucht Becker immer tiefer in die Figur des gefallenen Jüngers ein. Magische Momente entstehen da.

Behutsam, aber packend

Ganz behutsam, aber packend beginnt die Inszenierung mit einer Lesung am Pult. Ben Becker leiht dem Judas von Amos Oz seine eindringliche, glaubwürdige Stimme.

Judas sitzt in einer Schenke, nach der Kreuzigung, und klagt sich an. Er durchlebt noch einmal alle Momente der Freundschaft zu Jesus und jene des Verrats. Dabei hat jeder Gedanke in Beckers Stimme Gewicht und die Schuld, die Judas erkennt, bekommt mehr und mehr Tragik: „Jeden einzelnen Nagel habe ich in sein Fleisch geschlagen.“

In weißer Kleidung wie ein gefallener Engel

Im zweiten Teil aber, den Becker ebenfalls in weißer Kleidung spielt, die ihn wie einen gefallenen Engel wirken lässt, löst der Schauspieler ganz die lesende Distanz. Im Text von Walter Jens, der die Idee aufnimmt, dass ohne Judas’ Verrat die Entwicklung des Christentums und die Verfolgung der Juden so nicht möglich gewesen wäre, wird Beckers Spiel physisch. Er wirbt verzweifelt wie ein um Gnade Flehender um Verständnis für seine Tat: „Ich wollte den Beweis antreten, dass ihr Erlösung braucht … einer musste es auf sich nehmen.“ Am Ende verkörpert Becker den Verräter nicht mehr, er scheint Judas, der sich als Märtyrer sieht, zu sein. Das ist große, intelligente Schauspielkunst.

Mit Judas-Monolog auf Deutschland-Tour

Ben Becker (51) ist der Stiefsohn des verstorbenen Schauspielers Otto Sander. Zur Eröffnung des Otto-Sander-Platzes kam Becker mit seiner Mutter an den Südring. Sein Soloprogramm „Ich, Judas“, mit dem Becker noch bis November auf Deutschland-Tour ist, sollte ursprünglich ausschließlich im Berliner Dom zu sehen sein.