Bochum. Konzept der World Factory besteht aus der Förderung von Unternehmertum, einer Produktions-Lernwerkstatt und einem Technologiezentrum auf „Mark 51°7“.

Bochums wirtschaftliche Zukunft hängt nach der Überzeugung vieler Experten vom erfolgreichen Transfer von Wissen in das Wirtschaftsleben und von der Umwandlung akademischer Ideen in reale Produktion und Arbeitsprozesse ab. Die vor zwei Jahren erdachte und vom früheren Rektor der Ruhr-Uni, Prof. Elmar Weiler, vorangetriebene Idee der World Factory soll dies möglich machen.

Nachdem es etwas ruhig geworden ist um die World Factory, kommt sie nun offenbar in Bewegung. In einigen Wochen wird im Universitätsforum die zentrale Beratungsstelle für Gründer ihre Arbeit aufnehmen. Außerdem geht die Entwicklung der vor einigen Monaten erworbenen früheren Wollschläger-Firmenzentrale zur universitären Lern- und Produktionswerkstatt weiter.

Und auch bei der möglichen Gründung eines Technologiezentrums, der dritten World-Factory-Säule, auf dem Areal Mark 51°7, der ehemaligen Opel-Fläche in Laer, sieht Uni-Prorektor Prof. Dr. Andreas Ostendorf vielversprechende Ansätze. Im Interview mit der WAZ erklärt er die Idee von der World Factory und skizziert die notwendigen Schritte zur ihrer erfolgreichen Umsetzung.

World Factory basiert auf drei Säulen

Im Vorjahr hat die Ruhr-Uni den ehemaligen Wollschläger-Standort in Langendreer gekauft. Was macht eine Universität mit einer großen Lagerhalle inklusive Bürokomplex?

Prof. Dr. Andreas Ostendorf: Die Immobilie ist eingebettet in ein größeres Konzept, die World Factory. Dahinter versteckt sich ein völlig neuer Transferansatz für Universitäten. Es geht um die Frage, wie bekommen wir das Wissen, das hier an der Uni generiert wird, umgesetzt in wirtschaftliche Produkte? Das Konzept für World Factory wurde vor zwei Jahren ersonnen. Und in den letzten Monaten haben wir es stark weiterentwickelt. Einer der Bausteine ist die Wollschläger-Immobilie. Wir wollen bei der Umsetzung von Wissen schon während des Studiums beginnen und Studenten und Doktoranden motivieren, darüber nachzudenken, ein eigenes Produkt zu entwickeln – nicht nur Hard- oder Software – sondern auch Serviceleistungen, und das unter realen Bedingungen am Markt zu testen.

Was ist daran neu?

Prof. Ostendorf: Wir sind eine Voll-Universität mit allen Fachbereichen. Es gibt andere Unis mit sehr viel stärker ausgeprägten technischen Fachbereichen. Die haben einen Transferansatz, der geht über das wissenschaftliche Know-how und die Verbindung zu Unternehmen. Das haben wir nicht in diesem starken Maße. Deswegen müssen wir uns überlegen, wie können wir als Voll-Universität unsere Stärke nutzen und daraus ein maßgeschneidertes Transferkonzept entwickeln. Das ist die Idee hinter der World Factory.

Wie sieht dieses maßgeschneiderte Konzept aus?

Prof. Ostendorf: Wir haben drei Säulen. Die eine Säule heißt World Factory Entrepreneurship. Sie fasst alle Bereiche rund um die Themen Unternehmensgründung und -finanzierung zusammen. Dieser Aspekt wird im Ufo, im Universitätsforum, abgebildet; in Abstimmung mit der Wirtschaftsentwicklung Bochum, der IHK und mit den anderen Hochschulen. Die zweite Säule heißt World Factory Practise. Da geht es um Produktentwicklung und -realisierung, Vermarktungsstrategien, Businesspläne. Das findet auf dem Wollschläger-Gelände statt. Da können Dinge ausprobiert werden und sollen Fertigungstechnologien vorgehalten werden. Wir haben schon heute auf dem Campus eine Lernfabrik, wo Studierende lernen, wie Produktion funktioniert. Das bauen wir aus und integrieren es auf dem Wollschläger-Gelände.

Welches Budget stehen Ihnen zur Verfügung? Gibt es Fördermittel oder müssen Sie das aus dem laufenden Haushalt stemmen?

Prof. Ostendorf: Wenn es Förderungsmittel gäbe, aus denen sich das finanzieren ließe, würden wir die gerne in Anspruch nehmen. Aber wir müssen das aus dem eigenen Haushalt nehmen und können das alles daher nur nach und nach aufbauen. Die Lernfabrik herüberzubringen, ist erst einmal nicht so wahnsinnig teuer. Das ist der Nukleus. Drumherum werden wir dann weiter ausbauen.

Säule drei?

Prof. Ostendorf: Säule drei ist Mark 51°7 (Anm. d. Red.: das ehemalige Opel-Areal in Laer), die World Factory Transfer. Hinter Transfer verbirgt sich der Gedanke, Unternehmen auszugründen und anzusiedeln bzw. Unternehmen, mit denen wir heute schon kooperieren, in Zukunft auch räumlich stärker an uns zu binden.

„Man braucht einen langen Atem“ 

Das heißt, Sie wollen Flächen auf dem Opel-Gelände belegen?

Prof. Ostendorf: Das wollen ja nicht wir als Universität, sondern es geht um Platz für Firmen. Und natürlich wäre es uns lieb, so eine Art Technologiequartier aufzubauen mit Unternehmen, die eine gewisse Affinität zur Ruhr-Universität und zu Unis der UniverCity haben (Anm. d. Red., „UniverCity“ ist ein Zusammenschluss von Stadt, Hochschulen und weiteren Akteuren wie der IHK oder dem Akafö).

Wie weit sind Sie?

Prof. Ostendorf: Wir sind in Gesprächen mit der Stadt. Und mein Eindruck ist, dass sich in den letzten Monaten auf Seiten der Stadt und der Entwicklungsgesellschaft Bochum Perspektive die Dinge positiv entwickeln. Nach dem wir vorgetragen haben, wer unsere Industriepartner sind, könnte ein rundes Bild entstehen. Und es gibt reale Chancen, das eine oder andere Unternehmen nach Bochum zu bekommen. Wichtig erscheint mir aber, dass wir die Ausgründung aus der Uni weiter forcieren und stärker als bislang bündeln. Ein gutes Beispiel dafür ist Dortmund. Da hat sich auf einer überschaubaren Fläche viel Hochtechnologie, die eine gewisse Affinität zur TU Dortmund hat, entwickelt.

© Ingo Otto / FUNKE Foto Services

Innerhalb von 10, 15 Jahren.

Man braucht einen langen Atem. Und diesen Atem müsste auch die Bochum Perspektive mitbringen.

Prof. Ostendorf: Da Ausgründungen Jahre benötigen, bis sie in nennenswerter Zahl Arbeitsplätze schaffen, wird beides nötig sein: Fertige Firmen, die sich ansiedeln, und neue Firmen, die wachsen können.

Man braucht beides. Und ich glaube, es gibt durchaus reale Chancen für beides. Das Gelände ist sehr attraktiv. Die Qualität der Arbeitskräfte, die wir in Bochum an den Hochschulen ausbilden, ist hoch.

Was sind die nächsten Schritte?

Prof. Ostendorf: Auf unserer Agenda steht mit hoher Priorität, das Ufo weiterzuentwickeln. Mitte April werden wir damit beginnen. Die zweite Priorität ist, Wollschläger weiterzuentwickeln.

Dennoch besteht die Notwendigkeit für Sie, einen Platz auf Mark 51-7 räumlich und inhaltlich zu besetzen.

Prof. Ostendorf: Das stimmt. Wir treffen uns regelmäßig mit Baudezernent Dr. Bradtke, mit Perspektive-Geschäftsführer Prof. Heyer und mit Ralf Meyer, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklung. Und wir haben einen Lenkungskreis, in dem erfahrene Entwickler von Technologiequartieren mitwirken.

Positive Gespräche mit einem potenziellen „Technologie-Anker“ 

Die Zahl der Ausgründungen aus der Ruhr-Uni hält sich seit Jahren in Grenzen. Wie kommen die Ideen der World Factory bei Studenten und Wissenschaftlern überhaupt an?

Prof. Ostendorf: Ich bin davon überzeugt, dass Studenten und Wissenschaftler auf so etwas warten. Aber es muss auch als koordiniertes Programm herüber kommen. Im Moment hat Bochum das Problem, dass die Vielzahl von Angeboten, die schon existieren, zu zerstreut sind. Es gibt eine Vielzahl von Stellen, an denen ich zum Teil auch noch unterschiedliche Informationen bekomme. Wer mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen, geht ins Ufo, um dort alles zu bekommen, was man braucht – bis zur Finanzierung.

Wie ist die Resonanz bei Unternehmen, zu denen Sie Kontakt haben?

Prof. Ostendorf: Wir haben mit einigen Unternehmen gesprochen und einige schon besucht. Sie haben uns gesagt, das sei ein hochinteressantes Konzept.

Lässt sich ein Technologiezentrum realisieren, sollten sich neben der DHL weitere Logistiker ansiedeln?

Prof. Ostendorf: Das würde es schwieriger machen. Man sieht auch an Dortmund, ein solches Technologiequartier braucht eine gewisse Größe. Wir haben jetzt von den 70 Hektar eine erkleckliche Fläche verplant. Wenn jetzt noch einmal eine solche Fläche dazu käme, dann wäre die Hälfte der Fläche weg. Und dann muss man ehrlicherweise sagen, wird es für uns uninteressant. Das ist für uns etwas, was wir der Stadt gegenüber auch immer kommunizieren. Wenn das ein Technologiequartier werden soll, dann ist ein Logistiker dort gut und akzeptabel, auch um schnell Arbeitsplätze zu schaffen. Aber es muss irgendwann einmal auch anderes Gewerbe dahin.

Die DHL gilt als Anker-Investor für Mark 51-7. Sie bräuchten eigentlich einen eigenen Anker, oder?

Prof. Ostendorf: Ja, genau. Wir haben nichts Schriftliches. Aber es gibt Gespräche, die sehr positiv sind. So ein Leuchtturm muss nicht Google oder Microsoft sein, das kann auch ein mittelständisches Unternehmen sein.

Wenn Sie zehn Jahre weiterdenken. Was ist bis dahin möglich?

Prof. Ostendorf: Ufo läuft, Wollschläger ist absolut etabliert, Studierende pendeln zwischen dem Standort und dem Campus und realisieren dort ihre Projekte. Und wir haben erste Ansiedlungen auf Mark 51-7 und erste erfolgreiche Existenzgründungen.