„Niiijooommmm.“ Immer wieder „Niiijooommmm.“ Sie erinnern an die Stimmung in einem buddhistischen Kloster, die Sprachübungen, die Prof. Dr. Katrin Neumann mit großer Inbrunst und ebensolcher Gestik intoniert. Ihre Patienten folgen tatsächlich einem Glauben, wenn auch keinem religiösen: dass sie alsbald wieder gesund und bei kräftiger Stimme sein werden.
„Phoniatrie und Pädaudiologie“: So lautet der sperrige Name der Abteilung der HNO-Klinik im St. Elisabeth-Hospital, die immer mehr Menschen ihre Sprache zurück gibt. Neben 4700 Kindern und Jugendlichen mit vielfältigen Hör- und Sprachproblemen behandeln Prof. Neumann (54) und ihr Team jährlich 1500 Erwachsene. Aus dem ganzen Land reisen sie an, um Stimmstörungen diagnostizieren und behandeln zu lassen.
Therapie dauert zwei Woche
Die nehmen deutlich zu, beobachtet die Fachärztin. Vor allem Lehrer und Erzieher seien betroffen. „Wenn man täglich gegen eine lärmende Wand anreden, mitunter anschreien muss, hat das natürlich Folgen für die Stimmbänder.“ Jeder dritte Pädagoge habe inzwischen Schwierigkeiten mit der Stimme, schätzt Neumann. Ähnlich hoch sei die Quote bei den Mitarbeiterinnen in den Kindergärten: „ein unterschätztes Problem.“
Doch die Professionen der Patienten reichen deutlich weiter. Es sind Schauspieler, Sänger, Pfarrer, Manager, Verkäufer, Handwerker oder Call-Center-Telefonisten, die sich an der Bleichstraße einer ambulanten 14-Tage-Intensivtherapie unterziehen. Viele haben ihr Stimmvolumen in Jahren und Jahrzehnten überstrapaziert. Andere hatten schlicht Pech. So wie Martina Schlüpmann (54), deren Stimmband beim Intubieren bei einer OP verletzt wurde. Bei ihrer Kollegein Katrin Neumann lernt die Schulärztin, ihre durch die Narbe krächzende Stimme zu normalisieren.
Gleichfalls mit einer Narbe muss Schuhverkäuferin Zamira Zeneli (48) nach der Entfernung von Zysten auf ihren Stimmlippen zurechtkommen. Sie hat Schmerzen beim Reden, bekommt schlecht Luft.
Zum Luftholen ist Stefan Ulrich nur selten gekommen. Als Elektroingenieur ist er beruflich schwer eingespannt. Daheim muss er sich „gegen fünf Kinder durchsetzen“. Der Kehlkopf machte schlapp.
„Was für viele Körperregionen gilt, trifft auch für die Stimme zu: Man kann sie trainieren und verändern“, weiß Prof. Neumann, der bei ihren Therapien eine Fachfrau zur Seite steht. Sybille Krobs-Rotter (55) ist als Stimmbildnerin an Bühnen von Bremen bis Mainz im Einsatz. Bleibt den Profis die Stimme weg, schickt sie Sybille Krobs-Rotter zur ärztlichen Abklärung ins „Elli“. Im Gegenzug unterstützt sie die Patienten von Prof. Neumann bei den Sprechübungen.
„Lawine, Lawene, Lawane, Lawune“: Mit laaaaanggezogenen Vokalen, geradem Rücken und einem weiteren „Niiijooommmm“ stärkt das Quartett die malträtierten Stimmbänder. Übungssoftware liefert Anleitungen für das Training daheim. Gibt es Chancen, der Sprachlosigkeit vorzubeugen? Beruflich nur sehr eingeschränkt, sagt die Chefärztin. Zu Hause indes sei gerade bei sprachintensiven Jobs Schonung angeraten. „Sprechpausen“ nennt das die Professoren.
Soll heißen: Einfach mal die Klappe halten. Auch am Telefon.