Bochum. . Im wohl ersten deutschen Prozess um die VW-Abgas-Affäre hat das Landgericht Bochum signalisiert, dass Händler die Diesel nicht zurücknehmen müssen.

  • Erster Prozess um VW-Abgas-Affäre in Deutschland vor Bochumer Landgericht verhandelt.
  • Der Eigentümer eines VW-Tiguan mit Zwei-Liter-Diesel-Motor hatte ein Bochumer Autohaus verklagt: Es sollte den Wagen wegen der manipulierten Abgaswerte zurücknehmen.
  • Der Prozess dürfte erhebliche Signalwirkung haben.

Im VW-Abgas-Skandal müssen Hersteller und Händler die betroffenen Diesel-Fahrzeuge wohl nicht zurücknehmen. Diese Tendenz äußerte am Mittwoch das Bochumer Landgericht. Dort wurde erstmals seit Bekanntwerden der Affäre der Fall eines privaten VW-Besitzers in Deutschland verhandelt.

Der Eigentümer eines VW-Tiguan mit Zwei-Liter-Diesel-Motor hatte ein Bochumer Autohaus verklagt, damit es den Wagen wegen der manipulierten Abgaswerte zurücknehmen soll. Doch die 2. Zivilkammer scheint die Klage abschmettern zu wollen. Es bestehe zwar „eindeutig“ ein Mangel, aber er sei nicht erheblich genug, dass er zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen würde, sagte Richter Ingo Streek. Der Mangel könne mit relativ geringen Mitteln abgestellt werden. Damit meinte er den Austausch bzw. das Update der Motorsteuerungssoftware. Das soll nur 100 Euro kosten und 30 Minuten dauern.

Der Kläger ist ein Uni-Professor aus Trier, der früher in Bochum gearbeitet und bei dem beklagten Autohaus regelmäßig neue VW gekauft hatte. Ein treuer Kunde. Zuletzt hatte er dort im Sommer 2014 zum Preis von fast 38 000 Euro einen neuen Tiguan tdi „4Motion“ erworben, denn er für relativ umweltfreundlich hielt. Als die Abgas-Affäre aber aufflog, wollte er sich von dem Wagen trennen, weil er zu viele Emissionen ausstieß. Wie sein Anwalt Dietrich Messler erklärt, habe das Autohaus aber auf mehrere entsprechende Anschreiben nicht reagiert. Und so landete der Fall bei Gericht.

„Der Verbraucher will keine Schummel-Software“

Der Kläger will jetzt noch mindestens 33 500 Euro für den Wagen (19 700 km) haben. Der Prozess, sagte Anwalt Messler auf dem Gerichtsflur, „hat eine erhebliche Signalwirkung“. Und er betonte: „Der Verbraucher will keine Schummel-Software. Alles ist sehr übel gelaufen.“

Im Gerichtssaal, der mit Medienvertretern randvoll gefüllt war, konnte er die Einschätzung von Richter Streek überhaupt nicht nachvollziehen. Er verwies auf die „Täuschung“ von VW und darauf, dass der Tiguan zurzeit wegen der Abgas-Affäre „unverkäuflich“ sei oder zumindest nur mit großem Verlust zu verkaufen sei – allein dies belege schon, dass doch ein „erheblicher“ Schaden vorliege. Zudem sei unklar, ob der Wagen nach dem Software-Update mehr Sprit verbrauche und noch dieselbe Leistung zeige.

Kläger-Rechtsanwalt Dietrich Messler
Kläger-Rechtsanwalt Dietrich Messler © B.Ki.

Der Anwalt des beklagten Autohauses, Peter Lodde, bot – freiwillig – an, den Tiguan „zu einem marktgerechten Preis“ zurückzukaufen, wenn der Kläger dort einen neuen Wagen erwerbe. Kläger-Anwalt Messler machte dies vom Preis abhängig, den das Autohaus für den Tiguan zu zahlen bereit sei. Weil ein konkreter Preis während der Gerichtsverhandlung nicht zu ermitteln war, kam es zu keiner Entscheidung. Beide Parteien klären in den nächsten Tagen außergerichtlich, ob sie sich preislich einigen. Sollte dies nicht klappen, will die 2. Zivilkammer am 16. März ein Urteil verkünden. Und das scheint nicht im Sinne des Klägers auszufallen.

Messler glaubte aber schon vor der Verhandlung, dass sich im Falle eines Urteils in jedem Fall eine zweite Instanz mit der Klage beschäftigen werde, weil eine der beiden Seiten in Berufung gehen werde.

Insgesamt sind in Deutschland 2,6 Millionen Diesel des VW-Kontern von der Affäre betroffen.

Abgas-Skandal: VWs juristische Probleme

Eine der größten Herausforderungen im Abgas-Skandal rollt erst noch auf Volkswagen und Konzern-Chef Matthias Müller zu. Das Unternehmen dürfte zahlreiche Schlachten vor Gericht ausfechten müssen. Die wichtigsten juristischen Baustellen des Konzerns im Überblick:
Eine der größten Herausforderungen im Abgas-Skandal rollt erst noch auf Volkswagen und Konzern-Chef Matthias Müller zu. Das Unternehmen dürfte zahlreiche Schlachten vor Gericht ausfechten müssen. Die wichtigsten juristischen Baustellen des Konzerns im Überblick: © Getty Images
Aktionäre fordern Entschädigung: Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch institutionelle Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka. Der Vermögensverwalter AGI – eine Allianz-Tochter – erwägt die Teilnahme an einer Sammelklage. Volkswagen bekräftige mehrfach seine Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben.
Aktionäre fordern Entschädigung: Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch institutionelle Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka. Der Vermögensverwalter AGI – eine Allianz-Tochter – erwägt die Teilnahme an einer Sammelklage. Volkswagen bekräftige mehrfach seine Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben. © dpa
Klagen einzelner VW-Besitzer: Weltweit wollen VW-Fahrer Schadenersatz einklagen. Meist wird dabei ein Wertverlust der Autos geltend gemacht. Wenn sich etwa die Leistungs- und Verbrauchsdaten durch notwendige Umrüstungen erheblich verschlechtern, könnte so eine Klage erfolgreich sein. VW weist aber darauf hin, dass alle betroffenen Fahrzeuge „technisch sicher und fahrbereit“ seien. Es werde keine Folgen für die Restwerte geben.
Klagen einzelner VW-Besitzer: Weltweit wollen VW-Fahrer Schadenersatz einklagen. Meist wird dabei ein Wertverlust der Autos geltend gemacht. Wenn sich etwa die Leistungs- und Verbrauchsdaten durch notwendige Umrüstungen erheblich verschlechtern, könnte so eine Klage erfolgreich sein. VW weist aber darauf hin, dass alle betroffenen Fahrzeuge „technisch sicher und fahrbereit“ seien. Es werde keine Folgen für die Restwerte geben. © dpa
Aktionäre fordern Entschädigung: Auch viele Anleger fühlen sich geprellt. Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch des Abgas-Skandals ab, einige Aktionäre wollen sich ihre Verluste vom Konzern ersetzen lassen. Die Argumentation: VW hätte deutlich früher über den aufkommenden Skandal informieren müssen, weil Kursverluste drohten. VW ist der Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben.
Aktionäre fordern Entschädigung: Auch viele Anleger fühlen sich geprellt. Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch des Abgas-Skandals ab, einige Aktionäre wollen sich ihre Verluste vom Konzern ersetzen lassen. Die Argumentation: VW hätte deutlich früher über den aufkommenden Skandal informieren müssen, weil Kursverluste drohten. VW ist der Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben. © dpa
Sammelklagen: Viele Anwälte buhlen derzeit darum, sowohl Aktionäre als auch VW-Kunden vor Gericht vertreten zu dürfen. In den USA sind Sammelklagen ganz normal, in Deutschland können zumindest Aktionäre ein sogenanntes Musterklageverfahren beantragen. Dabei wird eine Klage gegen VW verhandelt, an deren Ausgang sich dann andere Klagen orientieren. VW-Chef Matthias Müller sieht in Massenklagen ein Geschäftsmodell von Juristen: „Wir sehen dem ganz gelassen entgegen.“
Sammelklagen: Viele Anwälte buhlen derzeit darum, sowohl Aktionäre als auch VW-Kunden vor Gericht vertreten zu dürfen. In den USA sind Sammelklagen ganz normal, in Deutschland können zumindest Aktionäre ein sogenanntes Musterklageverfahren beantragen. Dabei wird eine Klage gegen VW verhandelt, an deren Ausgang sich dann andere Klagen orientieren. VW-Chef Matthias Müller sieht in Massenklagen ein Geschäftsmodell von Juristen: „Wir sehen dem ganz gelassen entgegen.“ © dpa
Klagen der US-Behörden: Zum Jahresbeginn hat das US-Justizministerium eine Klage gegen VW vorgelegt. Dabei geht es um die Manipulationen an Dieselautos, das Ministerium wirft dem Konzern aber auch in der Aufarbeitung der Abgas-Affäre Tricksereien und Täuschung vor. Theoretisch droht eine Strafe von rund 45 Milliarden Dollar (40,7 Milliarden Euro) plus eine weitere, möglicherweise milliardenschwere Zahlung im Ermessen des Gerichts, wie aus der Klageschrift hervorgeht. VW will sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht dazu äußern.
Klagen der US-Behörden: Zum Jahresbeginn hat das US-Justizministerium eine Klage gegen VW vorgelegt. Dabei geht es um die Manipulationen an Dieselautos, das Ministerium wirft dem Konzern aber auch in der Aufarbeitung der Abgas-Affäre Tricksereien und Täuschung vor. Theoretisch droht eine Strafe von rund 45 Milliarden Dollar (40,7 Milliarden Euro) plus eine weitere, möglicherweise milliardenschwere Zahlung im Ermessen des Gerichts, wie aus der Klageschrift hervorgeht. VW will sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht dazu äußern. © dpa
Betrugsanzeigen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach den Manipulationen von Stickoxidwerten gegen sechs Beschuldigte aus dem VW-Konzern wegen Verdachts auf Betrug und unlauteren Wettbewerb. Gegen fünf weitere wird wegen möglicher Falschangaben bei CO2-Werten ermittelt. Der Vorwurf lautet hier vor allem auf Steuerhinterziehung, weil sich die deutsche Kfz-Steuer stark am CO2-Ausstoß orientiert. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis Ergebnisse vorliegen. VW will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Betrugsanzeigen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach den Manipulationen von Stickoxidwerten gegen sechs Beschuldigte aus dem VW-Konzern wegen Verdachts auf Betrug und unlauteren Wettbewerb. Gegen fünf weitere wird wegen möglicher Falschangaben bei CO2-Werten ermittelt. Der Vorwurf lautet hier vor allem auf Steuerhinterziehung, weil sich die deutsche Kfz-Steuer stark am CO2-Ausstoß orientiert. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis Ergebnisse vorliegen. VW will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. © dpa
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