Bochum. Ein Jahr nach Einführung wertet der DGB die Lohnuntergrenze als gelungen. Arbeitsplätze seien nicht gefährdet. Einige Jobs wurden sogar aufgewertet.

Ein Jahr nach seiner Einführung wertet der Deutsche Gewerkschafts Bund (DGB) den Mindestlohn als gelungene Maßnahme. „Auch in Bochum haben viele Menschen durch den Mindestlohn mehr Geld in der Tasche“, sagt Eva Kerkemeier, DGB-Vorsitzende in der Region Ruhr Mark. „Der Mindestlohn ist unterm Strich ein großer Erfolg“, zieht Regions-Geschäftsführer Jochen Marquardt nach zwölf Monaten zufrieden Bilanz.

Ende 2014 hatte die Gewerkschaft vorausgesagt, dass in Bochum gut 6000 Vollzeitbeschäftigte sowie 35.540 sozialversicherte Teilzeitbeschäftigte und die Inhaber von knapp 35.000 Minijobs von der gesetzlichen Maßnahme profitieren würden. „Aktuelles Zahlenmaterial für die Stadt gibt es noch nicht“, so Marquardt. Aber alle Befürchtungen, wie etwa jene, die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro je Arbeitsstunde würden Arbeitsplätze kosten, hätten sich nicht bewahrheitet. „Wir wissen sogar von Fällen, bei denen Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt wurden.“

Das deckt sich mit einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Die bisherigen Erkenntnisse sprechen dagegen, dass der Mindestlohn „Arbeitsplatzverluste in größerem Umfang nach sich gezogen hat“, heißt es. Eher lassen sich positive Auswirkungen feststellen: „In vom Mindestlohn betroffenen Bereichen wurden in signifikantem Ausmaß geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt. Während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung weiter wächst, ist die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gesunken.“

In Bochum hat der Mindestlohn nach einer ersten Einschätzung der Bundesagentur offenbar keine negative Auswirkung auf den Arbeitsmarkt. „Wir stellen keine große Veränderung fest“, so Sprecherin Anja Greiter. Es gebe lediglich einen leichten Rückgang bei Minijobs .

Ernsthafte Widerstände gegen die gesetzliche Lohnuntergrenze gibt es offenbar auch nicht mehr. Bei den Mitgliedsunternehmen der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet war sie in den vergangenen Monaten „jedenfalls überhaupt kein Thema“, so IHK-Sprecher Jörg A. Linden. Weder in den zahlreichen Gremien noch bei direkten Kontakten mit den Unternehmen habe das Thema eine Rolle gespielt.

Nur in wenigen Fällen sei die Rechtsabteilung des DGB mit Mindestlohn-Streitigkeiten beschäftigt, so Regional-Geschäftsführer Jochen Marquardt. Und auch das Arbeitsgericht Bochum hat keine nennenswerten juristischen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn registriert.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft muss der Mindestlohn bis 2017, wenn die dafür zuständige Kommission einen neuen Vorschlag über dessen Höhe macht, „zur gesellschaftlichen Marge werden. Für jeden muss klar sein, dass er nicht für einen Lohn unter 8,50 Euro arbeitet und keiner darf mehr auf die Idee kommen, Arbeit für einen geringeren Lohn anzubieten“, sagt Regions-Geschäftsführer Marquardt. Ausgeräumt werden müssten außerdem noch die zahlreichen Ausnahmegenehmigungen.

DGB informiert über Mindestlohn

Am kommenden Montag, 18. Januar, werden Mitglieder der Bochumer Gewerkschaften am Hauptbahnhof einen Geburtstagsgruß zu einem Jahr Mindestlohn in Deutschland verteilen.

Vorbereitet ist eine Überraschungstüte mit aktuellen Infos zum Mindestlohn und ein kleiner „Energiegruß“.

Von 7 Uhr bis 9 Uhr stehen die DGB-Mitglieder im Bochumer Bahnhof und werden die Bahnreisenden über die aktuellen Entwicklungen informieren.

Immerhin hat auch der Arbeitgeberverband Westfalen als einer der Kritiker des Mindestlohngesetzes in einer Umfrage bei seinen Mitgliedsbetrieben festgestellt, dass die Zahl der zur Verfügung gestellten Praktika nicht gesunken ist – trotz Mindestlohnentgelt. Gleichwohl hat der Verband mit Sitz in Bochum weiter Vorbehalte: „Der Verwaltungsaufwand ist viel zu hoch“, so Sprecher Alexander Füten. Erfassung von Arbeitszeiten und die zweijährige Aufbewahrungspflicht sorgen für zu großen bürokratischen Aufwand.

Die meisten der von der AGV vertretenen Unternehmen seien indes ohnehin nicht betroffen. Deren Einstiegsentgelte lägen mit 15,60 Euro für die Metall- und Elektrobranche, mit 15,03 Euro für die Chemiebranche und mit 12,16 für die Branche Papier und Kunststoff schon deutlich über dem Mindestlohn. Auch viele der tarifungebundenen Unternehmen, knapp ein Drittel in der Chemie und etwa die Hälfte bei Metall und Elektro, bezahle nach Haustarifen, die an die Flächentarif-Löhne heranreichten.