Essen/Wattenscheid. Seit Jahren protestieren Tierrechtler gegen das Gänsereiten in Wattenscheid. Nun reicht die Tierschutzpartei Klage beim NRW-Innenministerium ein.

Mit einer Eingabe beim NRW-Innenministerium will die Tierschutzpartei das umstrittene Gänsereiten in Wattenscheid stoppen. Darin fordert die Partei das Verbot der beiden Vereine, die das Gänsereiten ausrichten. Beim Gänsereiten wird eine zuvor getötete Gans an den Füßen zwischen zwei Bäume gehängt. Mehrere Reiter versuchen ihr dann im Galopp den Kopf abzureißen. Im Gegensatz zu anderen Vereinen benutzen der Gänsereiter-Club Sevinghausen und der Gänsereiter-Club Höntrop dabei keine Attrappen, sondern echte Gänse. Das wollen die Tierrechtler nun unterbinden.

Das Innenministerium ist in NRW die für Vereine zuständige Aufsichtsbehörde. Wenn es der Klage stattgeben würde, könnte es die Vereine tatsächlich verbieten. "Wir haben das Gänsereiten wegen überzogener Gewaltdarstellung im Beisein von Kindern angeklagt", sagt Sandra Lück von der Tierschutzpartei. Das Gänsereiten sei ein "blutiges Spektakel" und gerade im Beisein von Kindern "widerlich".

Gänsereiten verstößt angeblich gegen deutsche Staatsziele

In der 18-seitigen Klagebegründung heißt es: "Beim Gänsereiten [...] geht es einzig und allein um den Unterhaltungswert von erheblichen Gewaltszenen, hier das Abreißen eines Kopfes von einem (Tier-)Körper." Das damit verbundene Blut (der „Splatter-Effekt“), das Sichtbarwerden von anderen körperlichen Elementen (Sehnen, Knochen, Federn) hat einen simplen Selbstweck, nämlich die Ergötzung an der Herabwürdigung des Tierkörpers." Da der Tierschutz ein Staatsziel sei, verstoße das Gänsereiten gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

Eine Reaktion des Innenministeriums auf die Klage gibt es noch nicht, bisher wurde lediglich der Eingang der im November verschickten Schrift bestätigt.

Mit Strafanzeigen und Beschwerden bei der Stadt Bochum waren die Tierrechtler in der Vergangenheit gescheitert. "Von unserer Seite kann beim Gänsereiten alles beim Alten bleiben", sagt ein Sprecher der Stadt Bochum. Die Veranstaltung sei in der Vergangenheit ausführlich geprüft worden. Dabei habe man keinen Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt.

Online-Petition gegen das Gänsereiten

Neben der laufenden Klage der Tierschutzpartei will Sandra Lück das Gänsereiten auch mit einer Online-Petition unter Druck setzen. Die Petition läuft bei change.org seit etwas mehr als einem Jahr und hat mittlerweile fast 100.000 Unterstützer gefunden. Zusätzlich wollen die Tierschützer, wie schon 2015, auch eine Demonstration organisieren, um gegen das am Rosenmontag stattfindende Gänsereiten zu protestieren.

Gänsereiter-Sprecher Achim Hehrs erklärt: „Es handelt sich um ein jahrhundertealtes Brauchtum vor zahlreichen Zuschauern.“ Die Gans sei tot, werde ordentlich geschlachtet und nach dem Gänsereiten gegessen. Zu den konkreten Vorwürfen in der Anzeige könne er noch nichts sagen, da ihm keine Antragsschrift vorliege. „Ich sehe aber keinen Anhaltspunkt für ein Vereinsverbot. Die Überprüfungen der Behörden haben stets ergeben, dass wir gegen kein geltendes Recht verstoßen“, so der Rechtsanwalt.

Andere Gänsereit-Clubs nutzen schon seit Jahren keine echten Gänse mehr. "Wir wollten die echte Gans einfach nicht mehr. Wir haben dann irgendwann beschlossen, auf eine künstliche umzusteigen", sagt Wilhelm Hagmeyer, erster Vorsitzender des Gänsereiter-Clubs in Essen-Freisenbruch. Einige ältere Mitglieder hätten damals zwar protestiert, mittlerweile störe sich aber niemand mehr an der Kunstgans.

Für die Kritik der Tierschützer hat Hagmeyer trotzdem kein Verständnis: "Diesen Brauch gibt es seit vielen Jahrhundertern. Und die Gans ist schließlich tot und wird ordentlich geschlachtet." Sie werde außerdem nicht weggeworfen, sondern nach dem Gänsereiten gegessen.