Bochum. . Aus dem Bericht über individualpädagogische Maßnahmen geht hervor: Die Auswahl der Träger und die Qualität der Maßnahmen ist oft nicht dokumentiert.

15 von seit 2007 insgesamt 29 individualpädagogischen Maßnahmen im Ausland, die von der Stadt Bochum beauftragt wurden, hat die Bochumer Life Jugendhilfe GmbH von SPD-Ratsherr Gerd Lichtenberger übernommen. Das ist ein Ergebnis im Bericht des Rechnungsprüfungsamts (RPA), den die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen beantragt hatten.

Vor allem die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Ausland sollte in dieser Sonderprüfung untersucht werden. Festgestellt hat das RPA zahlreiche Ungereimtheiten und Versäumnisse. Für dringend geboten hält es vor allem, das vom Jugendamt „angedachte Qualitätsmanagement zeitnah umzusetzen“ und eine entsprechende Datenbank aufzubauen.

Ergebnisse sind nicht dokumentiert

Schriftlich dokumentierte Erkenntnisse über den Erfolg von Auslandsmaßnahmen gibt es nämlich bislang nicht, was unter anderem zu mangelnden Entscheidungsgrundlagen für die Vergabe neuer Aufträge führt. Anders als vorgeschrieben fehlten bei fünf von elf untersuchten Fällen – drei betrafen die Life GmbH – vor Beginn der Maßnahme die Stellungnahme eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Weiter moniert der RPA-Bericht, dass die Auswahl des Trägers nicht immer dokumentiert oder die fachliche Qualifikation des Betreuers im Ausland vorab nicht überprüft worden ist.

Ein häufiger Personalwechsel im zuständigen Jugendamt und zum Teil mangelndes Fachwissen hat das RPA als eine Ursache für die Versäumnisse ausgemacht. Dazu kommen nicht näher geklärte Defizite. So erhält die Life Jugendhilfe ihr Entgelt auf der Basis eines mit dem Jugendamt ausgehandelten Tarifs, der unabhängig vom Ort der Maßnahme immer gleich hoch und der auch Basis für die Vereinbarung mit anderen Kommunen ist. Dabei weise das NRW-Familienministerium darauf hin, dass Jugendämter und Träger die Tagessätze je nach Einzelfall vereinbaren sollten. Das RPA regt daher an, die bisher in Bochum gültige Vorgehensweise der „Pauschalverträge“ zu überdenken und künftig Vereinbarungen je nach Lebenshaltungskosten im Ausland zu treffen. Angemahnt wird auch strikte Einhaltung der Zeitpläne für Hilfeplangespräche. Kritisiert wird, dass zwei beauftragte Fernschulanbieter, darunter die Bochumer Web-Individualschule, „ohne staatliche Anerkennung agieren und die Voraussetzungen der Schulpflicht somit nicht erfüllen“.

Staatsanwaltschaft ermittelt weiter

Am kommenden Freitag wird der Bericht im Rechnungsprüfungsausschuss vorgestellt. Eine erste Reaktion aus der Politik zu den Ergebnissen gibt es bereits. Die Fraktion FDP/Stadtgestalter spricht von Versäumnissen in der Verwaltung und von einer Bevorzugung der Life Jugendhilfe GmbH.

Diese wiederum steht weiterhin im Fokus der Staatsanwaltschaft Essen. Die vor zwei Monaten begonnenen Ermittlungen gegen Life-Geschäftsführer Lichtenberger sind nach Auskunft von Staatsanwältin Annette Milk noch nicht abgeschlossen.