Bochum. . Im Schatten des großen Jack Nicholson zeigt die Tanzgruppe Renegade in den Kammerspielen eine Neufassung von „Einer flog über das Kuckucksnest“.

Manche Filme vergisst man nie, und „Einer flog über das Kuckucksnest“ gehört gewiss dazu. Das bahnbrechende Psychodrama aus einer geschlossenen Anstalt machte Jack Nicholson im Jahr 1975 zum Star und wird auch heute noch gern auf den Bühnen gespielt.

Die Tanz-Truppe Renegade wirft gemeinsam mit dem Theater Bremen jetzt eine neue Sicht auf die herzerreißende Geschichte. Bei ihnen wird das „Kuckucksnest“ getanzt. Das klingt merkwürdig, funktioniert aber recht gut. Zehn Tänzer und ein Musiker arbeiten sich rund 90 Minuten lang an der bekannten Vorlage ab und formen aus ihr ein sehenswertes Stück kreativer Bewegungskunst.

Abgesehen von einer Durchsage am Mikrofon („Medikamentenausgabe!“) fällt auf der Bühne kein einziges Wort. Dafür spornt ein treibender Klangteppich, den der Berliner Musiker Jayrope von der Seite einspielt, die Tänzer auf der Bühne zu Höchstleistungen an.

Kampf um Freiheit

Gleich zu Beginn steckt Choreograph Samir Akika das Spannungsfeld ab. Es kommt zu einem ersten, tänzerischen Duell zwischen einem großgewachsenen, dunkelhäutigen Tänzer mit Struwwelkopf (Freddy Houndekindo, im Film der Indianer Chief Bromlin) und der gefürchteten Oberschwester Ratched. Lotte Rudhart gibt sie in schneidigen Bewegungen mit dem ganzen Stolz einer Primaballerina. Dabei schaut es tatsächlich so aus, als würde ihr Kleid dampfen (!). Während der eine um Freiheit ringt und kämpft und dabei dauernd von Zuckungen heimgesucht wird, scheitert er immer wieder an Ratcheds gnadenlosem System der Unterdrückung.

Viel Hip-Hop und Breakdance

Hinzu gesellen sich die übrigen Patienten, die Akika liebevoll und stets ein wenig neben der Spur zeichnet. Auf einer großen grauen Rampe und einer Kletterstange (Bühne: Nanako Oizumi) hangeln, klettern und rutschen sie umher, es gibt viel Hip-Hop und Breakdance, und keiner von ihnen mag nach der Oberschwesters Pfeife tanzen.

Auch McMurphy nicht. Wenn Frederik Rohn die Bühne betritt, dann muss der Zuschauer an Nicholson denken, ob er will oder nicht, dafür ist die Verfilmung einfach zu übermächtig. Rohn gibt sich Mühe, seinen Vorgänger vergessen zu machen. Er trägt ein gelbes „Wolverine“-Shirt und grinst auch gar nicht so diabolisch wie Jack. Dass es ihm schließlich gelingt, seinem McMurphy einen eigenständigen Anstrich zu verleihen, das ist eine stolze Leistung.

Vom Stethoskop traktiert

McMurphys Rebellion gegen die strenge Herrschaftsstruktur gipfelt schließlich in einer famosen Szene. Im Film wird McMurphy bei einer Gehirn-OP gebrochen. Bei Akika wird er mit einem Stethoskop traktiert, in dem ein Mikrofon steckt. So hört man seinen Herzschlag und das Rascheln seiner Haare.

Tänzerisch ist das großes Kino, und der Filmfan erkennt wichtige Szenen wieder. Etwas Neues hat Akika aus der Vorlage aber nicht heraus gekitzelt. Weil er sich überraschend eng an den Film hält und genau darauf bedacht ist, die Geschichte zu erzählen, gibt er einiges von dem auf, was Tanztheaterabende oft so reizvoll machen. Weniger Nachspielen und mehr freien Tanzgeist hätte man sich schon gewünscht. Trotzdem: viel Jubel.

Wieder am 13. November. Karten: Tel. 0234 / 33 33 55 55.