Sigrid Guttwein war entsetzt. Kaum hatte sie vom 1. September an eine Beschäftigung bei der Arbeiterwohlfahrt angetreten, um die monatlichen Hartz IV-Leistungen aufzustocken, drohte ihr die neue Arbeit auf die Füße zu fallen. Das Jobcenter schickte ihr ein Schreiben, in dem es für den Folgemonat Oktober von einem deutlich höheren Lohn ausging als von der Awo angegeben. Von 584,53 Euro brutto war da die Rede. „Dabei habe ich vorgelegt, dass ich nicht mehr als 406,19 Euro verdiene“, sagt die 61-Jährige. Sie fürchtete Leistungenkürzungen.

Dass man ihr am Empfang des Jobcenters zu verstehen gab, zu viel abgezogene Leistungen würden nach einem halben Jahr nachgezahlt, konnte sie nicht beruhigen. „Die können doch nicht einfach mein Geld einbehalten. Ich brauche es, um monatlich meine Lebenshaltungskosten zu bestreiten.“ Gerne hätte sie das Missverständnis gleich vor Ort geklärt. „Aber ich durfte ja nicht einmal zu dem Sachbearbeiter.“ Sie habe Unterlagen am Empfang abgeben müssen, ein persönliches Gespräch sei nicht vorgesehen.

Von einem möglichen Missverständnis war dazu gestern im Jobcenter die Rede. Jeder Kunde werde auf die Servicehotline verwiesen. Erst wenn das nicht zum Erfolge führe, bekomme der Sachbearbeiter einen Hinweis und könne Kontakt zum Kunden aufnehmen. Der umgekehrte Weg, der Kunde kontaktiert den Sachbearbeiter, sei nur in der Jobvermittlung üblich, nicht in der Leistungsabteilung, so Carsten Jahn aus dem Stab der Geschäftsführung.

Tatsächlich, so ließ sich nach einer Nachfrage der WAZ klären, sei der vom Jobcenter für Oktober veranschlagte Lohn von 584,53 Euro falsch. Jahn: „Da der Mitarbeiter keine Angaben über den Stundenlohn hatte, hat er sich an die Angaben im Tarifvertrag gehalten“ und so einen Betrag hochgerechnet. Die von Sigrid Guttwein eingereichten Unterlagen, die das Missverständnis gleich hätten ausräumen können, durchliefen derweil den Postweg und landeten gestern nach der WAZ-Anfrage auf dem Tisch des zuständigen Mitarbeiters. „Wir werden selbstverständlich so schnell wie möglich eine Neuberechnung vornehmen“, kündigt Carsten Jahn an. Für Oktober dürfe Sigrid Guttwein eine Erstattung erwarten. Aber: Da der erste Lohn im September ausgezahlt wurde, werde es wohl auch eine Rückforderung für einen Teil der September-Leistungen geben.