Bochum.. Die Ruhr-Uni bietet eine außerordentliche Sprachenvielfalt. Die ist bei den steigenden Flüchtlingszahlen besonders gefragt. Die Dankbarkeit ist groß.
Es gibt ein besonderes Erlebnis, das Sarah Mätzig gezeigt hat, wie dankbar die Flüchtlinge für Hilfsangebote sind. Die 27-Jährige koordiniert zusammen mit Konrad Dabrowski (31) das Projekt Studentische Flüchtlingshilfe an der Ruhr-Universität. „Es war an der Flüchtlingsunterkunft an der Wohlfahrtstraße. Da habe ich immer, wenn wir da waren, einen älteren Herrn auf einer Bank sitzend gesehen. Er saß einfach nur stumpf da, war ganz still und sprach kein Wort. Nach ein paar Wochen hat er uns dann durch einen anderen Bewohner der Unterkunft sagen lassen, dass er unsere Arbeit zu schätzen weiß.“
Nicht immer klappt das Dankesagen auf dem direkten Weg. Dabei ist gerade die Ruhr-Universität international aufgestellt. Sie bietet eine Sprachenvielfalt, wie sie sonst an keiner Institution der Stadt zu finden ist. Menschen aus mehr als 130 Ländern studieren, forschen und lernen dort. Mehr als 4000 internationale Studierende, etwa 500 internationale Doktoranden und mehrere hundert internationale Wissenschaftler gibt es. Etwa 500 Studierende verbringen jährlich einen Auslandsaufenthalt an der RUB, ebenso viele RUB-Studierende absolvieren gleichzeitig Teile ihres Studiums in aller Welt. Aktuell sind ihre Sprachkenntnisse aber in Bochum gefragt: bei der Unterstützung, der Hilfe von Flüchtlingen.
Mätzig (27) und Dabrowski (31) kommen mit ihren Kenntnissen in Französisch und Englisch schon recht weit, wenn sie in den verschiedenen Flüchtlingsheimen in der Stadt bei den regelmäßig stattfindenden Sprechstunden Hilfe vermitteln. „Wir können aber auch Studierende dazu holen“, sagt Mätzig, „die Arabisch, Russisch, Serbisch/Albanisch sprechen. Wir haben jedoch bislang noch keinen Studenten gefunden, der Tigrinya spricht. Das ist die Landessprache in Eritrea.“ Ein Ausnahmefall.
500 Studierende engagieren sich
Im Normalfall klappt die Verständigung gut. Die Studierenden helfen beim Ausfüllen von Formularen, begleiten die Flüchtlinge zu Behörden. „Unser Ansatz sind die Alltagsprobleme. Es gibt Studenten, die gehen mit den Flüchtlingen zum Sozialamt. Oft geht es auch um Nachhilfe für die Schulkinder“, sagt Sarah Mätzig. „Oder um die Weitervermittlung an weitere Ansprechpartner.“
500 Studierende engagieren sich. Organisiert und vermittelt werden sie über eine geschlossene Facebook-Gruppe. „In diese Gruppe hineinzukommen“, sagt Sarah Mätzig, „ist aber nicht so schwer. Wir haben eine sehr niedrige Aufnahmeschwelle.“ Wer helfen will, dem kann geholfen werden.
Es müsse aber keiner mehr machen, als er kann oder will. „Der eine hat mehr Zeit, der andere weniger“, sagt Sarah Mätzig. Unabhängig von der Einsatzzeit gebe es als Rückmeldung „von allen Seiten Dankbarkeit. Von den Flüchtlingen selber, aber auch von den Ärzten, die sich darüber freuen, dass ein Übersetzer da ist“.
Alle Infos auf www.ruhr-uni-bochum.de/fluechtlingshilfe
Flüchtlingsrat: Container sind keine Dauerlösung
Sehr aufmerksam verfolgt derzeit Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW, wie die Stadt mit den Flüchtlingen umgeht. Sie ist Geschäftsführerin der in Bochum angesiedelten Einrichtung. Diese nimmt die Interessen der Flüchtlingen wahr – und zwar landesweit. Der Blick richtet sich zudem auf die Situation direkt vor Ort. „Wir begrüßen es, dass etwa die Stadt Bochum mit einem abgestimmten Konzept reagiert hat.“ Ganz aktuell auf den Weg gebracht wurde jetzt ein Konzept zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen.
Der vom Land unterstützte und von einem unabhängigen Netzwerk ganz unterschiedlicher Gruppen und Kreise getragene Flüchtlingsrat mischt sich ein, wann immer er problematische Entwicklungen sieht. Dabei geht es nicht nur um die Art der Unterbringung, sondern zudem um den gesellschaftlichen Kontext. Als etwa der Rat der Stadt Bochum beschlossen hatte, Flüchtling auf dem Gelände des Friedhofs Weitmar unterzubringen, kritisierte Birgit Naujoks dies deutlich.
Angleichung an Hartz-IV-Sätze
Sehr kritisch wertet sie, dass mehr und mehr Turnhallen zu Unterkünften umgebaut würden. Generell skeptisch sieht sie außerdem die Einrichtung von Containerdörfern, weil es einer gewissen Ghetto-Bildung Vorschub leiste. „Das sind auf jeden Fall keine Dauerlösungen.“ Birgit Naujoks räumt aber ein, dass den Städten zur Zeit häufig kaum eine andere Wahl bliebe, um auf die gestiegenen Zahlen zu reagieren. Als positives Beispiel nennt sie die Nachbarstadt Essen. Dort wird derzeit im Süden auf dem Gelände des ehemaligen Kutels der Neubau einer Flüchtlingseinrichtung geplant.
Um noch mehr Wohnungen für Flüchtlinge nutzen zu können, schlägt sie vor, die Regelung, dass bisher nur 20 Prozent unter dem Hartz-IV-Mietzuschuss bezahlt wird, zu ändern. „Hier ist eine Angleichung an die Hartz-IV-Regelung sinnvoll.“
Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge
Was die derzeitig große Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung angehe, sehe auch sie eine gewisse Tendenz, dass die Stimmung umschlagen könne. Die in Bochum sehr konsequent praktizierte Informationspolitik und Bürgerbeteiligung sei unbedingt fortzusetzen. Dabei könne natürlich die ehrenamtliche Arbeit, auch wenn sie wie jetzt professionell koordiniert werde, hauptamtliche Arbeit nicht ersetzen.
„Wir müssen es schaffen, eine regelrechte Willkommenskultur zu entwickeln“, so Birgit Naujoks. Bis dahin sei es jedoch noch ein sehr langer Weg.