Bochum. Die Bundesagentur für Arbeit beginnt mit der Vermittlung von Flüchtlingen. Strukturen müssen erst aufgebaut, der genaue Bedarf ermittelt werden.
In Sachen Arbeitsvermittlung macht Brigitte Fuchs (61) kaum jemand etwas vor. Aber nach 30 Jahren in Diensten der Bundesagentur für Arbeit betritt die Teamleiterin noch einmal Neuland. Seit einigen Wochen ist sie damit beschäftigt, die Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen aufzubauen. Ihre Aufgabe: „Wir sollen sie auf dem Arbeitsmarkt integrieren.“
Und das ist – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – noch ein wenig wie das Stochern im Nebel. Es gibt keine gesicherten statistischen Daten, nur wenige Anhaltspunkte zum konkreten Hilfebedarf und passende Vorbereitungsmaßnahmen von Bildungsträgern gibt es auch noch nicht. „Die müssen wir erst entwickeln“, sagt Fuchs und weist auf einen Flip-Chart, dessen große Seite übersät ist mit Gedanken und Stichpunkten zu den Aufgaben, die erledigt, und den Fragen, die geklärt werden müssen. Sie ist überzeugt, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels können die Arbeitssuchenden aus aller Herren Länder eine große Chance sein.
Sprache hilft bei Integration
Aus ihrer Sicht kommt es vor allem auf drei Aspekte an. „Sprache ist der Schlüssel zur Integration.“ Deutsch zu lernen, müsse ebenso zur Bildungsmaßnahme gehören wie aktives Arbeiten („man lernt am besten, wenn man etwas tut“) und die Chance, zugleich kulturelle Kompetenz zu erwerben. „Die Flüchtlinge müssen zum Beispiel erst einmal wissen, dass bei uns eine Behörde für die Vermittlung von Arbeit zuständig ist“.
Im Herbst sollen die ersten beiden Kurse mit je 25 Teilnehmern beginnen. Um passende Kandidaten dafür zu finden, werden Akten durchforstet; so hat die Stadt 13 Anwärter gemeldet. Momentan geht die Agentur von etwa 100 Flüchtlingen aus, die für einen Arbeitsplatz in Frage kommen.
Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt
280.000 Euro stehen in Bochum allein in diesem Jahr für die Vorbereitung von Flüchtlingen für den Arbeitsmarkt und ihre Vermittlung zur Verfügung, zehn Millionen sind es in NRW. Die Offensive der Bundesagentur basiert auf einer Gesetzesänderung. Demnach können seit Anfang des Jahres Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und Personen mit Duldung mitunter bereits nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland eine Arbeitsgenehmigung erhalten. Nach Schätzungen kommen allein 2015 in Deutschland etwa 100.000 Personen dafür in Frage.
Zuständig für Bochum werden zwei Vermittlerinnen sein, die die Agentur vor einigen Wochen eingestellt hat. „Sie bringen die passenden Voraussetzungen mit“, sagt Teamleiterin Fuchs. Ursula Rothe (62) arbeitet seit 2002 ehrenamtlich unter anderem für das Netzwerk Wohlfahrtstraße. Ghizllan Boutayeb (32) ist studierte Pädagogin und ehrenamtlich in der Jugend- und Integrationshilfe aktiv. Sie wissen um die besondere Lage ihrer künftigen Klienten und haben Sprachkenntnisse in Englisch, Französisch und Arabisch. Zur Zeit werden sie in der allgemeinen Arbeitsvermittlung geschult. Darauf baut die Vermittlung von „Menschen mit Fluchthintergrund“, wie es offiziell heißt, auf.
Aber sie und ihre Teamleiterin sind auch längst damit beschäftigt, ein Netzwerk zu knüpfen: mit Bildungsträgern, Arbeitgebern, anderen Regionalagenturen in Duisburg, Essen und Recklinghausen, zur Stadt Bochum und vor allem zu freien Wohlfahrtsträgern. Die kümmern sich längst um jene Menschen, die demnächst Klienten der Bundesagentur sein könnten.
Wer bleiben will, der will auch arbeiten
Ein erstes Gespräch geführt hat das Vermittlungs-Team der Bundesagentur vergangenen Woche mit der evangelische Jugendhilfe Bochum. Die nämlich betreut seit einem Jahr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge; derzeit 23 junge Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. Ihre Wege, so berichtet Diplom-Sozialarbeiter und Bereichsleiter Michael Erz, führten sie über das Mittelmeer oder über Land, in Containern oder durch lange Fußmärsche nach Deutschland. Einige haben ihre Eltern verloren.
Allein oder zu zweit sind sie teilstationär in Wohnungen in Stahlhausen, Grumme, Riemke oder Mitte untergebracht. Betreut von Leuten wie Stefan Müller. „Wir kümmern uns zum Beispiel darum, dass sie lernen, ihren Alltag zu organisieren. Waschen, Putzen, Einkaufen“, erklärt der Diplom-Pädagoge. Bei allen seien Fortschritte erkennbar.
Flüchtlinge wollen gerne arbeiten
Nach seiner Einschätzung drängen sie darauf, zu arbeiten. „Der Wille dafür ist da, die Disziplin und die Motivation auch.“ Eigenes Geld zu verdienen, möglicherweise eine Ausbildung zu absolvieren, das hebt das Selbstwertgefühl.
Eine Einschätzung, die Ursula Rothe teilt. „Die Leute, die hier bleiben wollen, wollen auch arbeiten“, weiß die 62-Jährige aus vielen Gesprächen mit Flüchtlingen. Je eher sie damit anfangen können, desto besser. „Ich glaube, dass da ein Riesenpotenzial schlummert. Aber es hilft nicht dreieinhalb Jahre lang einen Sprachkurs zu machen und dann erst mit der Ausbildung beginnen zu können“, mahnt derweil Diplom-Sozialarbeiter Michael Erz. Das sei demotivierend.
Er plädiert nun dafür, dass sich Arbeitgeber, IHK und Handwerkskammer auf die Situation einstellen und bei Anforderungen und Prüfungen einige Abstriche machen. Was geht, muss abgeklopft werden. Zumindest einer Sache ist sich Arbeitsvermittlerin Brigitte Fuchs aber sicher: „Die Arbeitgeber im Ruhrgebiet sind sehr offen.