Bochum. Über Jahre hat sich die Mannschaft eines Müllwagens von Unternehmern schmieren lassen. Dafür haben sie heimlich zusätzliche Tonnen geleert. Das Schöffengericht verhängte am Dienstag Haftstrafen zur Bewährung gegen die drei ehemaligen Beschäftigten des städtischen Umweltservices.

Die damalige Mannschaft des Müllwagens von der Tour 19 durch Bochum-Riemke war jahrelang korrupt. Sowohl der Fahrer (58) als auch die beiden (33, 51) am Heck des Wagens hatten sich von Gewerbetreibenden auf ihrer Route mit Geld bar auf die Hand schmieren lassen. Sie sollten dafür heimlich zusätzliche Mülltonnen entleeren. Dafür verhängte das Schöffengericht am Dienstag Haftstrafen von zwölf, 18, beziehungsweise 22 Monaten - ausgesetzt zur Bewährung.

Schwarzlohn bar auf die Hand - über 20000 Euro

Die Betriebe wollten damals die Müllgebühren nicht zahlen - „weil die normale Leerung wesentlich teurer ist als die Schwarzleerung”, wie der 52-jährige Angeklagten freimütig erklärte. Deshalb stellten er und seine Kollegen, allesamt damals Mitarbeiter der städtischen Tochter Umweltservice Bochum (USB), heimlich Restmüllbehälter in verschiedenen Größen auf und leerten sie regelmäßig, meist 14-tägig. Für einen 1110-Liter-Behälter habe die Müllwagen-Mannschaft 30 Euro erhalten, für einen mit 660 Liter 20 Euro, für einen mit 240 Liter 15 Euro - „und zehn Euro für 'nen 120er”, wie er zugab. Teilweise sprachen die Männer die Betriebe selbst an, teilweise war es umgekehrt. „Man kannte sich”, sagte der 33-jährige Angeklagte.

40 Schwarzleerungen

Insgesamt gab es von Januar 2005 bis April 2007 mindestens 40 Schwarzleerungen. Die Kundschaft: vor allem Handwerksbetriebe, aber auch Restaurants, Imbisse, eine Lotto-Bude, ein Sonnenstudio, eine private Schule. Auch ein Autohaus war dabei: Durch die Korruption hatte es sich über 29 000 Euro an Müllgebühren gespart. Der Gesamtschaden für die Stadt Bochum lag bei 147 000 Euro. Der Schmiergeld-Profit für die drei USB-Mitarbeiter lag bei gut 20 000 Euro. Damit hatten sie ihr karges Monatsgehalt jeweils um 250 bis 300 Euro aufgebessert. "Es wurde immer ehrlich geteilt", sagte der 58-jährige Angeklagte mit trotzig-treuherziger Geste. Als lobe er sich für etwas Anständiges im Unanständigen.

"Am liebsten nur noch Schwarzgeschäfte"

Richter Dr. Karl-Heinz Bösken fragte: „Muss man da nicht ein schlechtes Gewissen bekommen, dass man seinen Arbeitgeber, salopp gesagt, bescheißt?” Schließlich müssten ja andere die Gebühren mitbezahlen. Der 51–jährige Angeklagte: „Herr Richter, das ist so: Je mehr man hat, desto mehr wollte man haben. Man wollte ja am liebsten nur noch Schwarzgeschäfte machen.”

Er war es, der alles hatte auffliegen lassen und zu den USB-Chefs gerannt war, nach einem Streit im Team. Wie es im Prozess hieß, soll er sich in den 33-Jährigen verguckt haben, was dieser aber nicht erwidert habe. Der 51-Jährige selbst nennt als Grund für das Auspacken aber nur Angst um seinen Job.

Alle drei verloren den Job

Den verloren aber alle drei. Der Richter bescheinigte ihnen „eine erhebliche kriminelle Energie”. „Der Arbeitgeber wurde systematisch betrogen.” Das sei „sehr schäbig”. Verurteilt wurden sie wegen Bestechlichkeit und gewerbsmäßigen Betruges.

Enorme Folgen

Die Folgen der Korruption für die Angeklagten sind enorm. Der 58-Jährige zum Beispiel, ein bisher unbescholtener Familienvater, war 28 Jahre für seinen Arbeitgeber tätig gewesen. Als alles aufflog, musste er wie seine Komplizen bei der Geschäftsführung antanzen. Es wurde ihm ein Aufhebungsverträge nahegelegt. Heute jobbt der 58-Jährige als Fernfahrer, ständig auf Achse. Für noch weniger Lohn als vorher. Und jetzt kommen außer 18 Monaten Haft auf Bewährung noch Prozess- und Anwaltskosten hinzu. „Das Leben ist versaut”, sagte sein Verteidiger.

"Seine Arbeit war alles für ihn"

Der 51-jährige Mitangeklagte hatte 15 Jahre im Betrieb gearbeitet. „Seine Arbeit war alles für ihn”, sagte der Dritte (33) im Bunde. „Er hat dafür gelebt.” Er sei privat extra Fahrrad gefahren, damit er für seinen Job fit sei. Der 51-Jährige jobbt jetzt als Hilfsarbeiter in Nachtschicht. Richter Dr. Karl-Heinz Bösken meinte über die Fahrlässigkeit der schmutzigen Geschäfte: „Man kann kaum glauben, wie man, salopp gesagt, so bescheuert sein kann. Anders kann man es nicht formulieren.”

Eine Woche U-Haft

Der 58-Jährige hatte damals sogar - wie auch der 33-Jährige - eine Woche in U-Haft gesessen. „Das war eine Erfahrung, die gönne ich ihm noch nicht einmal.” Mit „ihm” meinte er den 51-jährigen Angeklagten. Er hatte alles auffliegen lassen. Und musste nicht in U-Haft. Mit einem Jahr Haft auf Bewährung kam er jetzt denn auch am mildesten davon. Der dritte Täter (vorbestraft) bekam 22 Monate. Auf Bewährungsauflagen verzichtete das Gericht. Weil alle schon genug gebüßt hätten.

Auch Gewerbetreibende wurden belangt

Auch die Gewerbetreibenden sind bereits - wegen Bestechung - belangt worden, aber ohne Prozess. Einige wurden per Strafbefehl verurteilt, einige mussten vierstellige Geldauflagen zahlen, damit ihre Strafverfahren eingestellt wurden. Außerdem kommt die Stadt mit satten Nachforderungen wegen der Müllgebühren auf sie zu.