Bochum. . Bürger beklagen, dass seit vier Wochen keine Sendungen mehr im Kasten liegen. Briefe und Pakete lagern an neun Stützpunkten. Abholen geht nicht.
Gähnende Leere im Briefkasten von Wilfried Schneider in der Straße Am Luftschacht in Eppendorf. Er habe, so teilt er der WAZ mit, seit vier Wochen keine Post mehr bekommen. Wesentlich schlimmer hat es sogar Amelie Vollmerhaus erwischt. Die junge Frau hatte sich auf ein Referendariat in Münster beworben. Zwar hat sie ihre Bewerbung bereits am 19. Mai, weit vor dem Streik, per Einschreiben losgeschickt. Angekommen sein soll sie laut Eingangsstempel am 8. Juni, laut Zustellungsprotokoll sogar erst am 12. Juni, also mitten im Streik. Vollmerhaus wurde wegen zu später Einsendung abgelehnt. Ob auch hier der Streik schuld ist, weiß sie bis heute nicht, denn eine Auskunft konnte ihr die Service-Nummer bisher nicht geben: „Das beeinträchtigt nun meine gesamte berufliche Zukunft. Wie sieht das denn auf dem Lebenslauf aus?“, ist die angehende Lehrerin sichtlich entrüstet.
Neun Stützpunkte
Eine Nachfrage bezüglich des Poststreiks bei Rainer Ernzer, Pressesprecher Deutsche Post/DHL, bringt zwar keine Post ins Haus, aber eine Erklärung. Die Post liegt in Bochum an neun Zustellstützpunkten. Sie ist vorher im Briefzentrum Dortmund maschinell sortiert und dann nach Bochum gebracht worden. Bereits im Briefzentrum in Dortmund können laut Ernzer schon Verzögerungen entstehen.
Ist der Bote im Einsatz, also Beamter, bekommen die Bürger seines Bezirkes auch Post. Streikt der Zusteller, also Angestellter, muss der Kunde damit rechnen, dass er irgendwann viele Sendungen gleichzeitig erhält.
Wenn denn die Post gebündelt an den Zustellstützpunkten liegt, könnte der Bürger, der dringend eine Sendungen erwartet, diese doch einfach dort abholen – möchte man meinen. Falsch gedacht, sagt Ernzer: „Einen bestimmten Brief im Stützpunkt zu suchen ist noch extremer als die Nadel im Heuhaufen. Zumal es nicht mal sicher ist, ob er überhaupt schon da ist.“
Laut Berechnungen von Post/DHL bekommen durchschnittlich bundesweit 80 Prozent der Regionen ihre Post zugestellt. Rund 30 000 Angestellte sind derzeit im Streik. Wer aber wann streikt, ist nicht planbar. Außerdem können ungelernte Aushilfen keine Post austragen. Das erschwert die Planung. „Es gibt Ecken in Bochum, da merkt man nicht, dass gestreikt wird. In anderen ist das durchaus der Fall“, so Ernzer.
Von den Streiks betroffen sind die Sortier- und die Brief- und Paketzentren – und damit die Zustellung. Konkret bestreikt werden Deutsche Post und DHL, nicht aber DHL-Express. So rät Ernzer, bei wichtigen Zustellungen DHL-Express als Alternative zu wählen. Gestern und heute findet eine neue Verhandlungsrunde statt. Der Streik dauert nun schon vier Wochen an.
Amelie Vollmerhaus hat zumindest hinzugelernt: „Bei meiner nächsten Bewerbung werde mit dem Auto nach Münster fahren und den Brief persönlich abgeben.“