Bochum. Hier leben die Menschen ruhig und gern: Der Winterkamp in Hiltrop ist ein Dorf mitten im Stadtteil. „Ein kleines Nest“, wie eine Bewohnerin schwärmt.
„Manche Post- und Paketboten haben nach dem ewigen Suchen Tränen in den Augen“, schmunzelt Sabine Schiewer. Tatsächlich: Bei dem Hausnummer-Wirrwarr am Winterkamp kann man als Dienstleister schon mal den Überblick verlieren. Der neue Abschnitt der Straße trägt gerade, der alte Teil ungerade Ziffern. Logische Reihenfolge: nicht erkennbar. Sonst jedoch ist alles in bester Ordnung: in einer Siedlung, die in ihrer Geborgenheit, Ruhe und Wärme den lärmenden Hauptstraßen um sie herum beständig trotzt.
„Unsere kleine Straße“, nennt Sabine Schiewer fast liebevoll den Winterkamp in Hiltrop, der in seinem Zuschnitt an einen Kinderwagen erinnert. Das ist durchaus folgerichtig. Anfang der 90er Jahre waren es vor allem Familien, die in den schmucken, von Häusser Bau und VBW errichteten Eigenheimen ein neues Zuhause fanden. „Vor der Bebauung war das ein Laubenpieper-Gelände, auf der Rückseite der Bergarbeiterhäuser des Schachtes Lothringen an der Hiltroper Straße“, weiß Sabine Schiewer.
Rote und weiße Eigenheime
Dabei erschließt sich die Schönheit erst auf den zweiten Blick. Die Siedlung ist eingebettet in die vielbefahrene Hiltroper Straße, Dietrich-Benking-Straße, Hagenacker und Bergener Straße. Wer sich dem Winterkamp vom Hagenacker nähert, schaut am Eingang der Straße missmutig auf Wohnsilos im Plattenbau-Stil. Doch nach gut 100 Meter leuchtet der „alte“ Winterkamp, wie er von den Bewohnern genannt wird, mit den strahlend weiß gehaltenen Eigenheimen und der „neue“, karminrote Winterkamp auf. 26 rot geklinkerte Doppel- und Reihenhäuser mit liebevoll hergerichteten Gärten und Terrassen schmiegen sich in den Sackgassen mit den schmalen Fahrbahnen aneinander.
Die Bauweise mit den hübschen Fenstergiebeln ist exakt gleich. Und doch hat jedes Haus seinen eigenen, von den Bewohnern geprägten Stil. Er kündet davon: Wir leben gerne hier! Augenfällig: die herausgeputzten Vorgärten (in diesen Tagen mit herrlich buntem Osterschmuck) und die ausladenden Fenster im Erdgeschoss, die den Blick in gemütliche Wohnstuben freigeben. Gardinen oder Vorhänge als Sichtschutz finden sich kaum: ein Element des freien holländischen Wohnstils, der am Winterkamp gepflegt wird. „Jeder kennt jeden. Da darf man ruhig in die Wohnung gucken können“, erzählt Sabine Schiewer, die hier seit einem Vierteljahrhundert zu Hause ist.
Der Besucher spürt: Die Nachbarschaft stimmt. Obwohl sich seit 1990 einiges verändert hat. Manche Häuser haben neue Besitzer erhalten. „Es gibt“, bedauert Sabine Schiewer, „längst nicht mehr so viele Kinder in der Siedlung wie früher.“ Umso dankbarer sind die Bewohner, dass die Stadt den Spielplatz Winterkamp in jüngster Zeit aufwendig renoviert und aufgepeppt hat. Seilfahrt, Rutsche, Klettergerüst, Tischtennisplatte: Es fehlt an nichts. Das Umfeld ist für die Erwachsenen ebenso einladend.
„Auch wenn nicht mehr ganz so viel los ist: Unser Spielplatz ist wie damals das Herz und Zentrum der Siedlung“, berichten die Mütter am Winterkamp. Nicht wenige Eltern kommen auch aus der weiteren Umgebung herbei, um mit ihrem Nachwuchs einige nette Stunden zu verleben – Pläuschchen mit den anderen Mamas und Papas inklusive.
Wunsch: Geräte auch für Senioren
Die Menschen am Winterkamp, sie sind zufrieden. „Obwohl mitten im Stadtteil, lebt es sich sehr ruhig und angenehm. Und wenn im Sommer die Vögel zwitschern und die Frösche quaken, sind wir besonders glücklich: wie in einem Dorf mitten in der Stadt“, lacht Sabine Schiewer.
Einen Wunsch hat die Heilpraktikerin gleichwohl noch. Gerade weil die Zahl der Kinder zurückgeht, müsse mehr für die älteren Bewohner getan werden. „Wie wäre es, wenn die Stadt auch Bewegungs- und Spielgeräte für Senioren aufstellt?“, fragt die 53-Jährige. Platz wäre auf dem Spielgelände vorhanden. Ein Miteinander von Jung und Alt: Das „Dorfleben“ wäre perfekt.