Bochum. Über 2000 Menschen haben am Samstag auf dem Bochumer Dr.Ruer-Platz an der Protestkundgebung unter dem Motto “Wir sind Bochum. Nazis sind es nicht“ gegen den NPD-Aufmarsch hinter dem Hauptbahnhof teilgenommen.
Bunt und friedlich verlief diese Kundgebung in der Innenstadt, zur der ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften Parteien und anderen Organisationen aufgerufen hatte. Ihnen allen sprach Oberbürgermeisterin Dr.Ottilie Scholz aus dem Herzen: "Wir machen heute Morgen deutlich: Wir wollen keine Nazis in unserer Stadt! Keine Alt- und keine Neo-Nazis!" "Wir wehren uns. Wir sind Bochum. Nazis sind es nicht", zitierte DGB-Regionsvorsitzender Michael Hermund das Motto der Kampagne gegen den Auftritt der NPD in Bochum. Die Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl beschwor Fred Sobiech, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bochum. Von den Erfahrungen in Köln, wo vor kurzem eine Anti-Islamkonferenz der rechten Organisation "pro Köln" verhindert worden war ("diese Stadt ist aufgestanden"), berichtete der Vorsitzende der DGB-Region Köln, Wolfgang Uellenberg van Dawen. Er forderte den Bochumer Polizeipräsidenten auf, sich am Kölner Polizeipräsidenten ein Beispiel zu nehmen und NPD-Demonstrationen zu verbieten.
Der Protest hat viele Formen
Um 16.10 Uhr wurde der NPD-Marsch nach gut drei Stunden am Bochumer S-Bahnhof Ehrenfeld beendet. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es in dieser Zeit nicht. "Ein wichtiges Einsatzziel, friedliches Versammlungsgeschehen zu gewährleisten, konnte erreicht werden", sagte Polizeieinsatzleiter Martin Jansen. Am ganzen Tag gab es sechs vorübergehende Festnahmen, teils zur "Gefahrenabwehr".
Am Mittag hatten sich hinter dem Hauptbahnhof, viele hundert Meter von der Gegen-Demo entfernt, rund 200 Teilnehmer zu dem NPD-Demomarsch versammelt. Dessen Motto: "Deutsche wehrt Euch - gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität." Der Organisator des Marsches gab den Teilnehmern vor dem Start per Megafon extra eine ausführliche Rechtsbelehrung darüber, welche Symbole und Parolen während des Marsches verboten sind. Besonders vor dem Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches warnte er: dem Paragrafen, der Volksverhetzung unter Strafe stellt. Außerdem wurden die Teilnehmer zuvor von der Polizei nach gefährlichen Gegenständen durchsucht. Nach dem Abmarsch gab es an der von Protestplakaten gesäumten Strecke durch die südliche Innenstadt nur kleinere Rangeleien, die von der Polizei sofort beendet wurden. Der Protest gegen die NPDler hatte viele Formen: So läuteten die Glocken der Christ-König-Kirche, um die Parolen der vorbeiziehenden NPD-Kundgebung zu übertönen. Immer wieder riefen Gegendemonstranten an vielen Stellen der Strecke, teilweise auch aus den Fenstern ihrer Wohnungen: "Nazis raus!" In einem Fenster hing das Plakat: "Bochumer wehrt Euch!!! Gegen Nazis. Für eine bunte Stadt!" An anderer Stelle stand auf einem Banner: "Gegen jeden Rassismus!"
Um ein direktes Aufeinandertreffen von NPD und Gegendemonstranten zu verhindern, hatte die Polizei sämtliche Seitenstraßen, auch ganz kleine Zuwege, an der Demo-Route massiv abgesperrt. Hinter diesen Absperrungen drängten sich jeweils Gegendemonstranten aller Altersgruppen, die teilweise lautstark gegen den vorbeiziehenden NPD-Aufmarsch protestierten.
Rund 50 Meter vor dem Schauspielhaus, auf der Königsallee, wo der NPD-Marsch einen Zwischenstopp eingelegt hatte, hielten NPD-Funktionäre mehrere Reden. Gleichzeitig gab es vom Vorplatz des Theaters aus, wo sich rund 100 Bürgerinnen und Bürger zum Protest gegen den NPD-Umzug versammelt hatten, ein akustisches Störfeuer, indem über Lautsprecher ebenfalls Reden gehalten und Lieder gespielt wurden. Über eine Stunde präsentieren insgesamt fünf NPD-Funktionäre und -Anhänger, darunter auch zwei wegen Volksverhetzung vorbestrafte Männer, radikale Thesen zu den Themen Ausländerkriminalität und "Multi-Kulti" sowie nationalistische Parolen. Während der Reden beschlagnahmte die Polizei ein großes Transparent mit der Aufschrift "Multikulti ist Völkermord". Die Bochumer Staatsanwaltschaft, die mit drei Männern die ganze Zeit das Geschehen beobachtete, prüft jetzt, ob ein Straftatbestand der Volksverhetzung vorliegt.
Bereits am Vormittag war die "Antifaschistische Jugend Bochum" durch andere Straßen der Bochumer Innenstadt gezogen - ebenfalls begleitet von einem starken Polizeiaufgebot. "Nazis zur Hölle" stand auf einem Transparent. Außerdem: "Gegen Staat, Nationalismus, Krieg und Kapital." Die Anzahl dieser Teilnehmer, die teilweise schwarze Kapuzen und schwarze Sonnenbrillen trugen, wird von der Polizei in einem Abschlussbericht mit rund 900 angegeben.
Vor und während der Demos war es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gekommen. Vor allem wegen der NPD-Demo: Rund um den Hauptbahnhof standen fast nur Polizei-Mannschaftswagen; der private Verkehr wurde großräumig umgeleitet. Auch Fußgänger durften ohne Sondergenehmigung nicht in die von der Polizei abgesperrte Zone der Demo-Route. Insgesamt war die Polizei mit mehreren hundert Einsatzkräften in Bochums Innenstadt präsent. Sogar ein Polizeihubschrauber kreiste zeitweise über dem Geschehen. Vereinzelt stand auch berittene Polizei bereit. Auch aus den Nachbarstädten waren Polizisten im Einsatz. Über die genaue Zahl gibt es aus einsatztaktischen Gründen keine Angaben.
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