Bochum. Die Alte Bahnhofstraße verbindet die Ortsteile Alter Bahnhof und Dorf in Langendreer. Zwei Gesichter der Geschäftsstraße erinnern an landwirtschaftliche und industrielle Vergangenheit .

Die Fassaden der Gründerzeitbauten am Ende der Alten Bahnhofstraße sind ein Schatz. Das ist bekannt. Einige der Häuser auf der Geschäftsmeile stehen unter Denkmalschutz. Doch seit das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz 2013 mit einem Workshop in der Lutherkirche zu Gast war, reift der Gedanke, dass der Ortsteil Alter Bahnhof in Langendreer noch viel mehr wert sein könnte. Seither diskutieren die lokalen Initiativen, Politiker und Hausbesitzer eine Denkmalbereichssatzung, wie sie bereits das Stadtparkviertel und die Siedlung Stahlhausen schützt.

Es ging bergab am Alten Bahnhof

Ein Befürworter der Pläne ist Hausbesitzer und Mitglied der Werbegemeinschaft Alter Bahnhof, Bernd Leimann. Seit 1997 lebt der ehemalige Lehrer mit seiner Familie auf der Alten Bahnhofstraße, sanierte und renovierte die Gründerzeitvilla mit Liebe zum Urzustand. „Uns war von Anfang an klar, dass wir nach vorne hin Holzfenster mit Stilelementen einsetzen lassen, damit die Fassade erhalten bleibt“, schildert der 68-Jährige.

Doch auch die prachtvollen Bauten konnten Ende der 90er Jahre nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mit der Alten Bahnhofstraße bergab ging. Leerstände klafften, eine Dönerbude folgte der nächsten. Der Brand im Wohnhaus 212 (1) und das Ende des darin ansässigen Kult-Clubs „Zwischenfall“ hinterließ 2011 einen Schandfleck, an dem die Straße bis heute krankt.

Aufwertung nötig

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Allerdings konnte die Werbegemeinschaft „Alter Bahnhof“ das Viertel ein Stück weit auf Vordermann bringen. Das Straßenfest „Bänke raus!“ ist nur ein Schlaglicht, das die Straße wieder heller leuchten lässt. Karsten Höser, Stadtteilmanager und Vorsitzender der Initiative „Langendreer hat’s“, berichtet, es gebe immer weniger Leerstände und neue Pläne, um die Alte Bahnhofstraße aufzuwerten: „In diesem Jahr sollen an 30 Häusern Schilder angebracht werden, auf denen etwas zu ihrer Geschichte steht.“

Wo die Uhren anders ticken

Während im Ortsteil Alter Bahnhof ein multikulturelles Leben und soziale Kontraste die Gangart prägen, geht es am Anfang der Alten Bahnhofstraße gediegener zu. Wer von der Alten Bahnhofstraße spricht, der muss gewissermaßen in zwei Welten denken. Die Gründerzeit-Passage endet an der entweihten unter Denkmalschutz stehenden Lutherkirche von 1905 (2). Dann führt die Straße viele Meter weiter als Verkehrsstraße auf der nur vereinzelt Geschäfte ansässig sind. Im Kreisverkehr hinter dem Alten Amtshaus mündet sie ein (3). Es ist offenbar: Hier ticken die Uhren anders.

Gute Wünsche

Das Fachwerk deutet auf den Ursprung des Viertels hin. Das Dorf ist einer von sieben Ortsteilen des Stadtteils Langendreer. Beatrix Schulte-Gimmerthal, Buchhändlerin und Verlegerin in vierter Generation, kennt die Straße von Geburt an. Ihre Familie führt seit 1896 dort ihr Geschäft . „Hier ist das ursprüngliche Langendreer am Ölbach. Da lagen die Bauernhöfe. Es gab die Kirche, die Schule und die Dorfschänke.“ Das Viertel Alter Bahnhof hingegen sei das städtische Zentrum und wurde im Zuge der Industrialisierung und der explodierenden Bevölkerungszahlen hochgezogen. Auch die katholische St. Marien-Kirche sei wohl für die polnischen Gastarbeiter errichtet worden:„Langendreer war immer evangelisch“, so Schulte-Gimmerthal. Ältestes Zeugnis des Protestantismus ist die denkmalgeschützte Christuskirche (4) aus dem 12. Jahrhundert.

Was die Menschen an der Alten Bahnhofstraße eint, sind gute Wünsche für Langendreer. Sowohl Bernd Leimann als auch Beatrix Schulte-Gimmerthal könnten sich mehr studentisches Leben vorstellen in all den Altbauten. Doch dazu fehle hier die Anbindung an die U35, sagen beide.

Als die Alte Bahnhofstraße noch Kaiserstraße hieß

Die Alte Bahnhofstraße – früher Kaiserstraße – ist eine der zentralen Straßen in Langendreer; wie im Text erwähnt, verbindet sie den Ursprungsort im „Dorf“ mit den „neuen“ Langendreer, das zu Zeiten der Industrialisierung im 19. Jahrhundert im Westen entstand. Und zwar rund um den ersten Bahnhof in Langendreer, den Haltepunkt der Bergisch-Märkischen Eisenbahn, der von 1860 bis 1908 in Betrieb war.

Die Bahnanlagen wurden aufgegeben, als 1908 der „neue“ Bahnhof Langendreer in Betrieb ging, ganz am anderen Ende des Ortes gelegen. Auch dieser Bahnhof ist längst stillgelegt, mit der Eröffnung der S-Bahnlinie Duisburg/Essen/Bochum/Dortmund Anfang der 1980er Jahre war er Geschichte. Sein 1907 und 1908 errichtete Empfangsgebäude entstand nach Entwürfen des Architekten Schlomeyer und besteht aus drei Baukörpern im Jugendstil mit Wölbdächern. Heute steht es unter Denkmalschutz und ist seit 1986 die Heimat des Soziokulturellen Zentrums Bahnhof Langendreer.

Der Gegensatz zwischen den beiden Ortsteilen Dorf und Langendreer, der heute noch sichtbar ist, war vor 150 Jahren noch viel ausgeprägter. Auf der einen Seite stand das noch landwirtschaftlich geprägte Langendreer, auf der anderen das industrielle mit den rauschenden Schloten seiner Zechen (Mansfeld, Colonia) und Fabriken. Der Amtsplatz mit dem Amtshaus verband und verbindet beide Welten.