Bochum.. Fast 35.000 Bochumer gehen einem 450-Euro-Job nach. Der Anteil von atypischen Beschäftigungsverhältnissen ist seit 2003 spürbar gestiegen.

Es gibt mehr Arbeit in Bochum. Seit 2003 ist die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse um knapp 8000 auf 162.642 (Stand 2013) gestiegen. Die Hans-Böckler-Stiftung beruft sich dabei auf Daten des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Kehrseite der Medaille: Der Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter sinkt. Er ging von 82,6 auf 77,8 Prozent zurück.

Stattdessen gehen immer mehr Bochumer einer sogenannten atypischen Beschäftigungen nach – als Minijobber, in Teilzeit oder Leiharbeit. Eine Entwicklung, die aus Sicht von Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden bedenklich ist. „Bei atypischen Beschäftigten besteht häufig die Gefahr einer prekären Beschäftigung“, so Annette Borgstedt vom Caritasverband Bochum/Wattenscheid. Besonders problematisch sei die Situation der Minijobber. Sie „haben das höchste Niedriglohnrisiko und können perspektivisch Altersarmut verstärken“. Betroffen davon könnten knapp 35 000 Bochumerinnen und Bochumer sein, die zur Zeit einen Minijob ausüben.

Wenige schaffen es aus dem Minijob aufzusteigen

Der aktuelle Arbeitslosenreport NRW der Freien Wohlfahrtspflege belege, dass nahezu jeder vierte Erwerbstätige in Nordrhein-Westfalen atypisch beschäftigt ist. In Bochum liege der Anteil mit 24,9 Prozent noch über dem Landesdurchschnitt (23,3). Ähnliche Zahlen legen die Gewerkschaften vor. Viele Menschen würden durch Minijobs zwar einen Fuß in den Arbeitsmarkt bekommen, so Yvonne Sachtje von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Ruhrgebiet. Der entscheidende Schritt zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gelinge aber nur ganz wenigen.

Eine Einschätzung, die Luidger Wolterhoff, Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit in Bochum, bestätigt. Minijobs seien „nicht die systematische Brücke in eine voll versicherungspflichtige Stelle“. Gleichwohl könnten sie, je nach Lebenssituation, genau die richtige Beschäftigung für Arbeitnehmer sein.

Dem verschließen sich die Gewerkschaften nicht grundsätzlich. Allerdings: „Auch für alle Jobs mit einem Monatslohn von bis zu 450 Euro müssen konsequent Sozialabgaben gezahlt werden“, so Yvonne Sachtje (NGG) und Jochen Marquardt, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Region Ruhr Mark. Bedenklich aus Sicht des DGB ist der Verlust von 14.345 Vollzeitstellen seit 2004. Er spricht von einem „drastischen Abbau von Vollzeitstellen in Richtung Teilzeittätigkeit und Minijobs“.

Teilzeitstellen haben Tücken

Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung belegt nach Einschätzung des DGB, dass „gerade Frauen oft unfreiwillig in Teilzeit arbeiten und öfter zu Nebenjobs auf 450-Euro-Basis greifen“, so Jochen Marquardt. Dies sei auch perspektiv problematisch, weil nicht selten einen Rückkehr in eine Vollzeitstelle verweigert werde. „Vielen bleibt nur ein zusätzlicher, schlecht sozial abgesicherter Minijob, um ein Einkommen zu erzielen, das zum Leben reicht.“

Sozialversicherungspflichtig sind zwar Teilzeitstellen, die oft auch genau den Bedürfnissen einzelner Beschäftigter entsprechen. Aber sie seien sozialpolitisch problematisch so Ulrich Kemner, Bochumer Caritasdirektor und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Und er räumt ein: „Als Anbieter sozialer Dienste etwa im Bereich der Pflege unterliegen wir in der Wohlfahrtspflege sogar selbst so starken ökonomischen Zwängen, dass auch bei unseren Einrichtungen die Zahl der Teilzeitstellen gestiegen ist.“