Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg hat in diesem Jahr viel Aufmerksam erfahren. Meist wurde aus zeitgeschichtlich-dokumentarischer Sicht auf die 100. Wiederkehr des Kriegsausbruchs 1914 geblickt. Nun ist in der Galerie m ein künstlerischer, aber nicht minder eindringlicher Zugang möglich.
„Kreuzweg” heißt die Ausstellung mit Arbeiten von Stephan Schenk (*1962). Sie zeigen in extremer Nahsicht Ausschnitte des Geländes von Schlachtfeldern des Weltkriegs. Die 14 Tapisserien/Webteppiche sind ausgehend von fotografischen Bildern gefertigt und hängen mit ihrer beeindruckenden Größe von je 295 x 223 cm vor der Wand. Das Gewebte zeigt detaillierte Ansichten natürlichen Geländes: Blätter, Zweige, Erde, Gras, Wasser. Nichts verleiht diesen Bildern den Touch des Außergewöhnlichen. Und doch sind diese Abbilder getränkt vom Leid und dem Blut der hier verletzten und gefallenen Soldaten. „Mich hat bei meinen Aufnahmen die Erdoberfläche interessiert, der Boden, der eine Grabstätte ist“, sagt der Künstler.
Tatsächlich wähnt der Betrachter sich nur wenige Zentimeter von der Erdoberfläche entfernt, es könnten Wiesen- und Brachflächen überall sein, aber es sind eben solche aus Verdun, von der Somme, aus Tannenberg – Namen, die auch heute noch mit dem Ersten Weltkrieg assoziiert werden.
Schenk orientiert sich weniger an einer Dokumentar- als an einer dokumentarischen Fotografie. Ihn interessieren nicht Relikte wie Splitter oder Patronenhülsen, die sich auf den Schlachtfeldern finden ließen, sondern die darüber hinaus weisende „Allgemeingültigkeit des Leids“. Auch deshalb hat er seine analog aufgenommenen Fotos digitalisiert und maschinell zu festen, ins Dreidimensionale drängenden Teppichen weben lassen. So haben sich seine Bilder und ihre Geschichte gleichsam „von selbst“ dem Stoff eingeschrieben. Das erzeugt, wenn man vor diesen weißgefurchten, dunklen Tapisserien steht, ein bedrückendes Raum- , aber auch ein intensives Seherlebnis. Mittels der physischen Erfahrung von Stephan Schenks Arbeiten kann sich der Betrachter über sein ganz persönliches Verhältnis zu den Kriegsgräueln von 1914/18 klar werden.