Bochum. . Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel hört bald auf: Im April wechselt er in die Transfergesellschaft für Opelaner aus dem Ruhrgebiet.

Die Zimmerpflanzen sind weg, die Bilder abgehängt. Der Jahresplaner an der Wand endet 2014. Kaffeetassen gibt es auch nicht mehr – verschenkt ans Tierheim. Aber Rainer Einenkel ist noch da. Er trägt die Arbeitsuniform der Opelaner, weißes Hemd mit grauem Namenszug. Einenkels Körperhaltung strahlt Stolz aus – und eine gewisse Angriffslust.

Auch wenn in dieser Woche der letzte Opel im Bochumer Werk vom Band rollen soll: Einenkel ist noch nicht fertig. Er lässt gerade eine Pressemitteilung verschicken. Fettgedruckte Überschrift, Ausrufezeichen, Unterstreichungen, dazu der Text: „Opel boykottiert Medien und verschweigt: Opel-Bochum wird geopfert, um Opel zu retten!“ Ja, Einenkel kämpft noch.

Zehn Jahre lang ist er nun Betriebsratschef des Opel-Werks. In seine Amtszeit fällt das Ende der Autoproduktion in Bochum. Doch Einenkel ist kein Mann, der schnell sentimental wird. Ob er wehmütig sei? „Dafür bleibt keine Zeit“, sagt Einenkel. „Das lenkt nur ab.“

Einenkel geht es auch ums Prinzip

Am 12. Dezember will sich das Landgericht Darmstadt wieder mit der Klage „Einenkel gegen Adam Opel AG“ befassen. Der Aufsichtsrat sei nicht korrekt über die geplante Schließung des Werks informiert worden, bemängelt Einenkel, der nach wie vor Mitglied des Kontrollgremiums ist. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück. Wenn sich die Richter äußern, steht in Bochum längst der Betrieb still. Aber Einenkel geht es auch ums Prinzip.

Der Flur zum Büro des Betriebsrats ist tapeziert mit Solidaritätsschreiben. Doch am Ende musste auch Einenkel viel Kritik einstecken. Hat er das Beste für die Belegschaft herausgeholt im Kampf um das Werk? Es gab ein Angebot von Opel, das für Bochum wohl die Chance auf zwei weitere Jahre eröffnet hätte. „Diese Zusagen hatten keinen Wert“, sagt Einenkel. „Das war eine absolute Mogelpackung.“ Den Vorwurf, er habe durch überzogene Forderungen am Ende Möglichkeiten verspielt, will Einenkel nicht gelten lassen.

„Da war klar: Wir stehen allein“

Bei der Wahl zwischen einer defensiven und einer offensiven Kommunikationspolitik hat sich Einenkel in aller Regel für letztere Option entschieden. „Verstecken war noch nie unsere Politik gewesen“, betont Einenkel. Andere Betriebsräte stellen gelegentlich das Handy ab, wenn sich in brenzliger Lage die Medienanfragen häufen, nicht aber Einenkel. Seine Strategie war, dass vielen Menschen möglichst schnell Bochum einfällt, wenn es um Opel geht. Auch in den Auswertungen für die Bosse des Opel-Mutterkonzerns General Motors in Detroit sei Bochum regelmäßig vertreten gewesen. „Das hat uns geholfen“, beteuert Einenkel. Mehrmals sei das Werk in Gefahr gewesen und doch gerettet worden.

Ende 2011 habe er gespürt, dass Opel in Bochum nicht mehr zu retten sein würde. „Da war klar: Wir stehen allein.“ In dieser Phase habe er auch zwei Abmahnungen des Konzerns erhalten. Der Vorwurf: Geheimnisverrat eines Aufsichtsrats. Gut möglich, dass er aus dem Unternehmen gedrängt werden sollte. Doch Einenkel ist geblieben.

Umzugskartons mit Protokollen aus den Opel-Jahren

Jetzt ist er 60 Jahre alt. Im April wechselt Einenkel in die Transfergesellschaft für die Bochumer Opel-Beschäftigten. Wie andere Kollegen auch soll er fit gemacht werden für mögliche neue Jobs – ein Jahr lang. Einenkel ist Elektriker. „Ich bin noch in der Lage, einiges an Arbeiten zu machen“, erzählt er. Im April endet Einenkels Aufsichtsratsmandat im Konzern.

Etwas mehr Zeit für Privates wird danach wohl drin sein. Seine Frau, drei Kinder, ein Hund – „das ist meine Familie“, sagt Einenkel. Er wohnt in Witten, an der Stadtgrenze zu Bochum und Dortmund. Oft sei er erst nach Hause gekommen, wenn es dunkel geworden ist – und dann habe er auch noch den Computer aus der Tasche geholt.

Wie es nun weitergeht? Sieben Umzugskartons mit Protokollen aus den Opel-Jahren stapeln sich im Betriebsratsbüro. Einenkel ist noch nicht fertig.