Oeventrop. AfD nimmt Vorlage des Oeventroper ZUE-Protestes auf und nutzt ihn für ihre Zwecke. Ein offenbar gespaltener Ort kämpft um Werte und Image.

Auf der Bürgerinformationsveranstaltung in Oeventrop zur zu diesem Zeitpunkt noch geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete im ehemaligen Kloster hatte der Immobilienbesitzer Christoph Kraas noch an seine Mitbürger in der proppevollen Ruhrtalhalle appelliert. „Egal, wie frustriert ihr seid. Die AfD ist keine Option!“, sagte er.Wenig später sagte er der Bezirksregierung Arnsberg ab und stellte seine Gebäude und das Grundstück nicht mehr zur Verfügung. Gefeiert wurde er lautstark von den Oeventroper, nun aber auch ausgerechnet von der AfD-Spitzenpolitikerin Alice Weidel.

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Auf Twitter feierte sie die Oeventroper dafür, dass sie „ausgerechnet in der Heimatstadt vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz selbst die verhängnisvolle Asylpolitik der CDU-Landesregierung und der Ampel beenden“. Es lohne sich, die eigene Stimme zu erheben. Bürgerprotest funktioniere. Alice Weidel dankt den Versammlungsteilnehmern und dem „einsichtigen Unternehmer“ Christoph Kraas.

Investor und Immobilienbesitzer Christoph Kraas vor der früheren Salus-Klink in Arnsberg Oeventrop, die zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden sollte. 
Investor und Immobilienbesitzer Christoph Kraas vor der früheren Salus-Klink in Arnsberg Oeventrop, die zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden sollte.  © WP | Daniel Berg

Unterdessen bemühen sich in Oeventrop viele Bürgerinnen und Bürger auch darum, das Dorf - losgelöst von der Entscheidung und Konsequenz der Versammlung mit dem Aus für einen ZUE-Standort in Oeventrop - nicht in ein ausländerfeindliches Licht rücken zu lassen. Vehemente Äußerungen bei der Bürgerversammlung mit verallgemeinerter Kriminalisierung aller Geflüchteten, lautstarkem Protest und verbaler Aggression hatten für eine aufgeheizte Stimmung gesorgt und viel Jubel geerntet.

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Selbst wenn es nicht die Mehrheit der Oeventroper war, die so vehement und ungezügelt auftrat, bleibt festzuhalten, dass grundsätzlich Erleichterung im Ort herrschte, dass die ZUE nun nicht kommt. Auch das wurde mit Jubel bedacht. In dieser Erleichterung darüber verschwammen die Grenzen zwischen extremen Krakelern mit klar fremdenfeindlichen Ressentiments und besorgten Bürgern, die nachvollziehbar einfach nur eine Flüchtlingsunterkunft mit 450 Menschen als Überbelastung für den Ort fürchteten.

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Schlimmer wiegt wohl eher die in sozialen Medien ausgetragene Diskussion rund um die ZUE, die die Spaltung des Ortes offen zeigt. Bürgermeister Ralf Bittner, er lebt in Oeventrop, und Bezirksausschussvorsitzender Gerd Stodollick (SPD) präsentierten sich mit Plakaten „gegen Hass und Hetze“ und verwiesen in einem Beitrag darauf, dass Oeventrop in den vergangenen Jahren bewiesen habe, „für Toleranz, Verständnis, Empathie, Nächstenliebe und zusammen gegen Hass und Hetze“ zu stehen und immer „Menschen in Not geholfen haben, wo es am dringendsten Hilfe gebraucht hat“. Bittner appelliert: „Lasst uns diese gemeinsamen tollen und wichtigen Werte nicht verlieren“.

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Zugleich verwies er darauf, dass auch er - er war am Montag bei der Sitzung nicht vor Ort - eine ZUE in Oeventrop für überdimensioniert und in einem Wohngebiet für deplatziert gehalten habe. Auch Bittner plädiert für kleinere Einheiten bei der Flüchtlingsbetreuung. Die Oeventroper Versammlung könne ein „notwendiger Wendepunkt in der Gestaltung der Einrichtungen sein“, so Bittner.

Bittner sieht „Spalter mit vergiftetem Lob“

Der Bürgermeister will, dass Verwaltung und die Fraktionen im Rat, „die für diese Werte stehen“ in diesem Sinne „ein gemeinsames Zeichen setzen“. Das solle sich gegen die richten, „die den Hass und die Spaltung in unsere Gesellschaft bringen und uns mit vergifteten Lob suggerieren, sie würden für die Menschen hier stehen“. Er meint damit die AfD - sowohl Alice Weidel mit ihrem Twitter-Beitrag als auch den Arnsberger AfD-Fraktionsvorsitzenden Otto Strauß, der den Oeventropern am Montag zu ihrem erfolgreichen Protest gratuliert hatte. Bittner ergänzt: „Wir stehen für uns, für ein lebens-und liebenswertes Arnsberg und Oeventrop mit Menschen, denen andere Menschen in Not nicht egal sind. Es muss vielleicht nur anders organisiert sein“.

Bittners Beitrag, der ebenfalls in Facebook-Gruppen wie „Du bist Oeventroper, wenn...“ gepostet wurde, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Oeventrop ebenso wie in anderen Orten eine hörbare Gruppe gibt, denen die Zuwanderung reicht und die mit AfD-Positionen zur Asylpolitik offenbar sympathisieren und das auch zum Ausdruck bringen. Da ist Oeventrop wohl nicht anders als andere Orte in West und Ost. Der Ort, der 2015 als ländlicher Leuchtturm bei der Flüchtlingsbetreuung überregional gefeiert wurde, steht nun medial zumindest bei zu oberflächlicher Betrachtung in einem anderen Licht - zu Unrecht mit Blick auf die nachvollziehbare Ablehnung, wohl zu Recht mit Blick auf den bei dieser Versammlung erzeugten Eindruck.

Nicht klar genug abgegrenzt

Bei der Bürgerinfo gab es zwar auch vereinzelte Stimmen mit klaren Statements gegen Rechts, die aber nicht mit frenetischem Beifall bedacht wurden wie wütende Zwischenrufe oder Androhungen wie „Dann wählen hier bald alle die AfD. Sollte eine Mehrheit in der Versammlung nicht hinter dieser populistischen Art gestanden haben, so hat sie sich zumindest nicht klar und deutlich abgegrenzt.

Arndt Gaube bringt es in der Oeventroper Facebook-Gruppe auf den Punkt: „Da hat jede Sachlichkeit gefehlt, stattdessen geriert sich hier ein Mob, der mich in seiner Ausdrucksweise, seinem Tonfall und seiner Lautstärke an das dunkelste Kapitel unseres Landes erinnert“, schreibt er. Und das habe nichts damit zu tun, ob man für oder gegen eine ZUE sei, was alles Meinungen seien, die zu respektieren seien. Es gehe allein um die Art und Weise der Auseinandersetzung über diese ZUE in Oeventrop in den sozialen Medien und auch in der Bürgerversammlung.

In der Facebook-Gruppe setzt sich Melanie Humpert sehr differenziert mit dem Thema auseinander. „Ich bin davon überzeugt, dass Oeventrop wie in den ganzen Jahren davor, weiterhin mit dem gleichen Einsatz Menschen in Not hilft, aufnimmt und integriert“, schreibt sie. Das Problem sei die Größe der Einrichtung gewesen. Die Emotionen versucht sie zu erklären: „Mein Eindruck ist, dass sich ein Großteil der Menschen in Oeventrop überrannt und überfordert gefühlt hat“, erklärt Melanie Humpert.