Bochum. Im Interview spricht Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des VfL Bochum, über Vergleiche zu Bayer Leverkusen und Transfererlöse als wichtige Säule.
Ein paar Minuten lässt sich Ilja Kaenzig noch entschuldigen, ein Termin hat sich verzögert. Dann aber empfängt er die Redakteure freudestrahlend zum Gespräch und nimmt sich viel Zeit für die Fragen. Es gibt eine Menge zu besprechen, schließlich hat der Schweizer seit Kurzem die Gesamtverantwortung als alleiniger Geschäftsführer für den Verein. Unter seiner Leitung arbeitet der VfL Bochum schon länger an einer Vision, die sich im Sommer auch auf dem Transfermarkt widerspiegelte. Darüber spricht er im zweiten Teil des Interviews, das am Samstagmorgen hier erscheinen wird.
Herr Kaenzig, seit einigen Wochen sind Sie alleiniger Geschäftsführer des VfL Bochum. Ein Termin jagt den nächsten. Schlafen Sie noch?
Ilja Kaenzig: (lacht) Bei uns sind alle ohnehin rund um die Uhr gedanklich beim VfL Bochum. Die Organisation und die Struktur sind bei uns so gut, dass es nicht mehr Arbeit für mich bedeutet. Sie ist nur anders strukturiert. Uns ist bewusst, dass wir alle maximal belasten. Wir müssen flexibel und agil sein, um Wachstum zu schaffen. Daher erweitern wir unsere Direktorenebene, geben unseren sehr guten Mitarbeitern mehr Verantwortung, organisieren uns neu, damit es auch ohne einen zweiten Geschäftsführer funktioniert. Wir wollen dadurch die Zusammenarbeit unter den einzelnen Abteilungen weiter fördern.
Warum wurde die Position vom nach der vergangenen Saison zurückgetretenen Patrick Fabian als Sport-Geschäftsführer nicht neu besetzt?
Wir hatten Bedenken, dass eine Person von außen mit eigenen Ideen für Reibungsverlust sorgen könnte. Wir hatten einen Trainerwechsel, eine schwere Transferphase und einen harten Saisonstart vor uns – aber eine klare Vision für den VfL Bochum. Daher haben wir uns entschieden, unsere zweite Ebene zu stärken.
Ilja Kaenzig: „Die Wachstumsmarge ist größer als jene des BVB“
Sie sind demnach derjenige, bei dem die Fäden zusammenlaufen.
Ich will allen den Rücken stärken. Die Direktoren sollen machen, sie sollen gestalten! Nur so kommt der VfL Bochum voran. Natürlich trage ich die Gesamtverantwortung, aber unsere Direktoren sollen ihre Projekte vorantreiben. So sind wir dynamischer, können uns schneller entwickeln. Wir geben den gemeinsamen Weg vor und auf diesem sollen alle im Sinne des Vereins für Wachstum sorgen. Ich möchte aber betonen, dass wir diesen Weg mit Patrick Fabian genauso gegangen wären. Er hätte uns mit seinen Ideen sehr geholfen.
Es ist ein Statement von Ihnen, einen Vertrag bis 2029 unterschrieben zu haben. Es ist bekannt, dass Sie auch Begehrlichkeiten geweckt haben. Haben Sie sich so sehr in den VfL Bochum verliebt?
Die Aufnahme damals war in der Tat prägend, ich bin jetzt fast sieben Jahre hier. Das Projekt ist besonders. Ich glaube, dass der VfL in der Bundesliga mit das größte Wachstumspotenzial hat – bezogen darauf, was man noch erreichen kann. Unsere Wachstumsmarge ist – logischerweise – größer als jene des BVB oder FC Bayern, denn die befinden sich schon auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Hier können wir etwas erreichen, etwas entwickeln, hier schreibe ich mit an der Geschichte des VfL Bochum. Ich glaube an dieses Potenzial. Die VfLer machen sich zu oft selbst zu klein, aber die Grundlagen sind gegeben, der Verein interessiert. Das bestätigen sehr viele Parameter. Zudem herrscht hier Vertrauen, Loyalität, Ruhe. Das weiß ich zu schätzen.
Ruhe strahlen Sie selbst auch aus. Sind Sie auch so?
Wir wissen, wann wir das Bestmögliche getan haben. Dann kann ich auch ruhig bleiben. Ich glaube daran, dass man im Fußball auf Strecke belohnt wird, wenn man mehr richtige als falsche Entscheidungen trifft. Man kann belegen, dass wir in allen Abteilungen jeden Tag professioneller werden.
Wie kann der VfL Bochum den Anschluss an die Konkurrenz schaffen?
Unsere Vision 100+ im Umsatz ist richtig, bleiben wir in der Bundesliga, erreichen wir es in spätestens zwei bis drei Jahren. Wir wissen, dass wir im kommerziellen Bereich noch wachsen können und müssen. In fünf Jahren wollen wir damit genauso viel erlösen wie durch die TV-Gelder. Das Vonovia Ruhrstadion kann nach dem Umbau besser vermarktet werden, bundesweit müssen wir das Interesse an uns monetarisieren. Wir sehen, dass wir eine enorme Reichweite haben. Wir wissen, dass wir ein kleiner Klub sind, wir sind aber proaktiv, sind sogar im Ausland vertreten durch Partnerschaften. Das zahlt sich aus. Aber natürlich brauchen wir Transfererlöse. Der VfL Bochum wird immer ein Sprungbrett-Verein sein.
Kaenzig über den VfL Bochum: „Dürfen uns nicht klein machen“
Dabei stehen Sie aber am Anfang. Mainz kassiert bis zu 40 Millionen Euro für Gruda, Augsburg bis zu 26 Millionen für Demirovic. Der VfL Bochum hat bislang „nur“ Patrick Osterhage für nicht ganz fünf Millionen Euro verkauft.
Auch in diesem Bereich müssen richtig gut werden. Wir investieren in die Professionalisierung des Talentwerks, um Bundesliga-Spieler zu entwickeln. Wir haben die Scoutingabteilung erweitert und entwickelt. Wir holen andere Spieler als früher, solche mit Entwicklungs- und Erlöspotenzial. Alessandro Crimaldi (16, von Wolfsburg in die U19 des VfL gewechselt, die Redaktion) beispielsweise ist ein Leuchtturmprojekt für uns. Kommerziell sind wir mit Augsburg und Mainz auf Augenhöhe. Nun müssen wir an der Säule der Transfererlöse arbeiten. Diese Einnahmen sind für das Wachstum zukünftig sogar wichtiger als die Fernsehgelder. Es ist leicht auszurechnen, dass etwa St. Pauli in der Bundesliga wirtschaftlich größer ist als der VfL. Das gilt auch für Vereine in der Zweiten Liga – Hannover, Nürnberg oder Karlsruhe zum Beispiel. Wir müssen daher wachsen, und da gehören höhere Transfereinnahmen dazu. Vereine wie Brest in Frankreich und Bournemouth in England zeigen, dass es funktioniert, wenn man qualitativ gut arbeitet. Daran orientieren wir uns. Und wissen Sie was?
Bitte.
In der höchsten Ebene ist das auch Bayer Leverkusen gelungen. Die haben nicht die gleiche Größenordnung wie Bayern oder Dortmund. Aber sie haben äußerst klug gearbeitet und sind Double-Sieger geworden. Mit der Hälfte des Etats des FC Bayern. Wir müssen also entsprechend auch besser performen als unsere Konkurrenten. Wir dürfen uns nicht klein machen. Es gibt genug Vereine, die unseren Platz in der Liga liebend gerne einnehmen wollen.
Das Image des „Kleinen“ trägt der VfL Bochum aber mit. Wie müssen wir uns das in Gesprächen vorstellen?
Von der Dimension sind wir ein kleiner Verein, das stimmt. Aber von der Wahrnehmung und Bedeutung nicht. Das spüren auch die Spieler. Wir stellen als Verein etwas Einzigartiges dar mit unserem Stadion und unserer Fankultur. Es geht natürlich immer ums Geld, aber auch um mehr. Das merken wir in Gesprächen mit Spielern.
Ein Investor könnte helfen. Die Grundlagen wurden vor Jahren geschaffen. Warum gibt es bislang keinen?
Wir haben ganz klare Leitplanken gesetzt. Wir haben viele Kontakte, bleiben aber dabei: Es muss der richtige Partner sein. Es muss eine Erfolgsgeschichte für uns und den deutschen Fußball werden. Viele davon gibt es in Deutschland bislang nicht, eher im Gegenteil. Auch deshalb dürfen es nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Wo setzt sich der VfL Bochum generell bei Partnern Grenzen? Bei Schalke (Sun Minimeal) und dem BVB (Rheinmetall) gibt es derzeit ja zumindest Diskussionen in den Fanszenen bezüglich Sponsoren.
Wir haben Partner schon abgelehnt, achten auf Grundsätze. Dabei haben wir hohe Standards.