Bochum. "Ist das Saisonende positiv", sagt Marcel Koller, "dann erholt man sich schnell im Urlaub." Doch bevor sich der Trainer des VfL Bochum aus dem Fußball ausklinken durfte, stand er noch einmal Rede und Antwort: Im Interview spricht Koller über Enttäuschungen, Tiefs und Entwicklungen


Am Ende hatten sich alle wieder lieb, das Publikum und die Mannschaft. Nur der Trainer stand ein wenig abseits. Provokant gefragt: Wie kommen Sie ohne die Zuneigung der Massen aus?


Marcel Koller: Indem ich von mir überzeugt bin und einen klaren Weg gehe. Ich war noch nie einer, der nach außen versucht hat Zuneigung zu gewinnen und gesagt hat: Schaut her, was für ein supergeiler Typ ich bin. Als es schwierig wurde hier, haben die Leute um mich herum gesagt: Wir kriegen auf die Fresse, geh' raus und mach' was. Dafür bin ich nicht der Typ, auch wenn ich versuche an mir zu arbeiten. Aber ich war schon als Spieler immer ein Teamplayer, habe den Trainer als Kapitän unterstützt. Nach außen zu gehen und Theater zu machen ist für die Mannschaft nicht gut, für den Verein nicht und für dich selbst am Ende auch nicht.


Wenn die Außenwirkung nicht so wichtig ist für Sie, was ist denn dann wichtig?


Koller: Die Leute über mir und die unten im Keller, die Spieler, mit denen ich arbeite. Dort spüre ich den Respekt, die Akzeptanz und die Loyalität. Deshalb konnte ich dem Druck bisher immer standhalten, deshalb bin ich nach der Kritik nicht eingebrochen. Für mich ist immer der Verein das Wichtigste. Ich war schließlich 25 Jahre bei einem einzigen Verein. Und dem VfL bin ich nach der Erfahrung in Köln zu großem Dank verpflichtet.


Herr Koller, ich habe Sie kürzlich in einem Kommentar als „aufmerksamen Wachhund” bezeichnet. Kränkt Sie das, oder können Sie damit gut leben?


Koller: Das hat schon was. Ein Wachhund beißt ja auch nicht immer, ist aber im entscheidenden Moment am richtigen Ort. Ich habe hier ja die andere Seite der Medaille kennen gelernt. In der Spitze läuft es anders herum, alle vermeiden es, so lange wie möglich von der Meisterschaft zu reden. Aus einem guten Grund: Wenn man da mal loslässt, fehlen ein paar Prozent, die entscheidend sein können. Ich werde jedenfalls meine Linie weiter verfolgen, auch wenn es manchmal schwer ist dich hinzustellen und die Spieler aufzubauen, wenn du selbst den Frust spürst.


Sie haben die komplette Saison unter einem einzigen Satz gelitten, wollen den aber partout nicht zurücknehmen. Was ist denn jetzt mit dem besten Kader, seitdem Sie hier sind?

Am Ende stand das Happy End, ging auch der Trainer aus sich heraus: Marcel Koller herzt Philipp Bönig, der sich trotz schmerzender Knie durchgebissen hatte. Foto: firo
Am Ende stand das Happy End, ging auch der Trainer aus sich heraus: Marcel Koller herzt Philipp Bönig, der sich trotz schmerzender Knie durchgebissen hatte. Foto: firo © firo | firo






Koller: Das heißt doch vor allem, dass wir es auffangen können, wenn der eine oder andere mal wegbricht. Und genau das haben wir doch erlebt. Wenn ich nur ans Winter-Trainingslager denke, da hat man die Stärke deutlich gespürt. Wir hätten gegen Hoffenheim auch fünf Tore schießen können. Aber dann ist Freier wieder weg, anschließend auch Mieciel, sehr lange. Und das war ja nicht alles. Aber ich muss die späteren Verletzungsausfälle nicht noch einmal alle ausführen, ist doch bekannt. Glauben Sie mir, ich würde auch gerne mit der einen Elf spielen, die weiß, was zu tun ist. Obwohl man irgendwann wahrscheinlich wechseln muss. Der Mensch ist eben genügsam und bequem und hat so seine Schwierigkeiten, permanent das höchste Niveau abzurufen.


Womit wir bei den Enttäuschungen sind, die es ja wohl auch gegeben hat, oder?


Koller: Ich möchte eigentlich nicht über einzelne Spieler reden, auch da muss man das Ganze sehen. Und dass jeder mal ein Tief hat, ist eine Sache der Erfahrung.


Ein ganz tiefes Tief hatte auch Ihr Kapitän, der sich sogar „Maltritz-raus”-Rufe anhören musste. War das die schwierigste Situation in der zurückliegenden Saison?


Koller: Ja, auch wenn es viele schwierige Situationen gegeben hat. Dass er danach so eine gute zweite Halbzeit gespielt hat, war enorm wichtig. Und dann hat er sich vor dem Spiel in Berlin noch den Fuß verknackst und mit dickem Knöchel gespielt. Er hat das gut gemacht. Ich glaube, das war für seine persönliche Entwicklung ein wichtiger Schritt.


Apropos Entwicklung. Außer Kevin Vogt ist momentan kein Talent in Sicht, das den Sprung in die Bundesliga schaffen könnte.


Koller: Ich habe versucht, die Jungs, die Qualität haben, hier zu halten und führe Gespräche, die ich eigentlich nicht führen müsste. Aber ehrlich gesagt trifft man auch nicht mehr jeden Tag Jungs, die zu ihrem Wort stehen. Das ist mit Kevin etwas anderes. Er ist ein absolut guter Junge. Unser Ziel ist es, ihn hochzunehmen, wann immer das mit der Schule vereinbar ist. Wir wollen seine Entwicklung forcieren, bei den Profis und in der zweiten Mannschaft. Aber man braucht schon mal Geduld. So wie mit Patrick Fabian. Erst in dieser Saison hat man diese Einstellung, die notwendig ist, bei ihm gespürt, dieses Bewusstsein: Jetzt lasse ich nicht mehr los.