Essen. Bei der Leistungsdiagnostik werden Fußballprofis durchgecheckt. Das ist besonders 2022 wichtig. Der VfL Bochum arbeitet mit der Uni zusammen.

Danilo Soares sitzt auf dem Ergometer, Messinstrumente an der Brust und den Armen. Ersatz-Keeper Paul Grave sitzt beim Lungenfunktionstest. Derweil muss Philipp Hofmann Balance-Übungen absolvieren, und Manuel Riemann schwitzt an einer Kraftmaschine für den Oberschenkel.

VfL Bochum arbeitet mit der Ruhr-Universität Bochum zusammen

Nacheinander müssen alle Fußballprofis des VfL Bochum den Check durchlaufen. So zeigt es ein Video, das der Klub jüngst veröffentlicht hat. Neben der Ausdauer werden auch Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit getestet. Einmal im Jahr, kurz vor dem Start der Vorbereitung, steht für alle Fußballprofis, nicht nur für die des VfL, eine obligatorische Leistungsdiagnostik an. In dieser Saison könnte sie noch wichtiger sein als sonst.

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Leistungsdiagnostik: Was sperrig klingt, ist größtenteils ein gesundheitlicher Rundum-Check, den alle Spieler durchlaufen müssen. Der VfL arbeitet dabei beispielsweise mit der Ruhr-Universität Bochum zusammen: „Wir kombinieren das Belastungs-EKG gleichzeitig mit einem Leistungstest auf dem Laufband. Dabei werden Herzfrequenzen und Laktatwerte erhoben, und die Sauerstoffaufnahme“, erklärt  Petra Platen, Professorin und Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs für Sportmedizin und Sporternährung an der RUB, dazu. Ergänzend kommen Blutuntersuchung, Lungenfunktionstest, Ruhe- und Belastungs-EKG und Ultraschall-Untersuchung hinzu. Auch die Beweglichkeit und das Gleichgewicht werden getestet.

Straffer Plan durch WM

Andere Testbatterien, wie etwa Schnelligkeitstests, führen die Vereine selbstständig durch. „Sie gestalten das auch individuell und lassen sich da oft auch gar nicht in die Karten schauen“, sagt Daniel Memmert, Professor und  Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Sporthochschule Köln. „Heutzutage hat die Leistungsdiagnostik einen viel höheren Stellenwert als beispielsweise vor 20 Jahren. Im Prinzip findet die ganze Saison über eine Analyse des Fitnessstandes statt. Oft sieht man dann Spieler mit so einer Weste.“ Daniel Memmert ordnet das Ganze ein:  „Die Diagnostik im Sommer ist deshalb so wichtig, weil sie als Referenzwert für die ganze Spielzeit gilt.  Je mehr Faktoren gemessen werden, je individueller und genauer die  Analyse für die Spieler ist, desto besser lässt sich das Training steuern und lassen sich dadurch Verletzungen vermeiden.“

Die Zeiten, in denen, so wurde gemunkelt, Spieler ihren Schrittzähler an den Hund abgaben oder die fitte Partnerin die Runden drehen ließen, sind vorbei. „Natürlich: Wer fudeln will, kann das irgendwie immer“, sagt Memmert, „die Spieler bekommen ja auch individuelle Trainingspläne für die Sommerpause, aber die Diagnostik soll sie ja auch vor Verletzungen schützen.“

Diese genaue Analyse des Fitnesszustandes könnte in den nächsten Wochen und Monaten von besonderer Bedeutung sein. Durch die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft im Winter (21. November bis 18. Dezember) ist der Saisonplan zum einen eng getaktet und enthält viele Englische Wochen. Zum anderen steht für die Spieler, die nicht mit zur WM fahren, eine rund achtwöchige Spielpause an. Eine auf den einzelnen Spieler abgestimmte Trainingssteuerung wird also wichtig sein. Da werde es immer wichtiger, jederzeit genau zu wissen, wie es einem Spieler körperlich gerade geht, sagt Memmert. „Im Training ist dann weniger oft mehr.“ Gemeint sind also deutlich dosierte Einheiten, um genügend Zeit zur Regeneration einzuplanen.

Aber nicht nur die Belastung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, auch die Ansprüche, was ein Profi neben guter Technik und Fußball-Verstand alles können und haben muss, haben sich verändert. „Klar, die Säulen sind immer noch Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Schon lange ist auch die mentale Komponente entscheidend. Was derzeit immer wichtiger wird, sind die kognitiven Fähigkeiten des Spielers“, erklärt Daniel Memmert. „Wie schnell kann ein Spieler die Situation erfassen, wie schnell den Gedanken in die Tat umsetzen? Gedankliche Reaktionsschnelligkeit, Antizipation, Kreativität, genaue Umsetzung der Taktik. All diese Dinge werden immer wichtiger.“ Auch sie werden vermehrt getestet, zählen aber laut dem Kölner Wissenschaftler noch nicht zur quantifizierten Leistungsdiagnostik.

Der Laktattest bleibt erhalten

Daniel Memmert spricht von Künstlicher Intelligenz, virtuellem Training, permanenter Datenerfassung und -auswertung. „Ich glaube, dass da noch viel Potenzial ist und gehe davon aus, dass die Fußballklubs zukünftig immer mehr auch mit digitalen Experten beispielsweise von Universitäten zusammenarbeiten werden.“ Den guten alten Laktattest, den schon die Spieler vor weit mehr als 20 Jahren regelmäßig machen mussten, den wird es aber wohl auch weiterhin geben. Nur eben ohne Schummeln.