Bochum. Auch schwache Flanken und Standards sorgen für das 1:3 des VfL Bochum gegen Hertha. So sah Trainer Reis das Spiel. Bella-Kotchap angeschlagen.
Am Willen, am Einsatz fehlte es dem VfL Bochum nicht gegen Hertha BSC. „Die Niederlage ist extrem bitter“, sagte Trainer Thomas Reis daher eine gute halbe Stunde nach dem 1:3 gegen die Berliner. „Von der Leidenschaft, der Intensität her kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Wir haben ein gutes Pressing eingeleitet, aktiv verteidigt“, lobte der Coach.
Doch er legte auch die Finger in die offenen Wunden. Denn individuelle Fehler führten zu den Gegentoren, und die Standards sowie der letzte Pass sorgten dafür, dass Herthas Trainer Pal Dardai trotz „gefühlt 40 Flanken keine große Gefahr gespürt“ hat, wie er nach seinem ersten Saisonsieg sagte. 67 Prozent Ballbesitz hatte Bochum – Berlin aber zwei Treffer mehr.
Überraschung in der Startelf: Bockhorn und Tesche nur auf der Bank
Dass Thomas Reis für Überraschungen gut ist bei der Aufstellung, bewies er einmal mehr. Herbert Bockhorn hatte den Coach in Köln und auch im Training nicht überzeugt. Er durfte ebenso nicht aufs Feld wie der in der Vorsaison überragende Robert Tesche (nach Sperre).
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Stattdessen verteidigte hinten rechts Konstantions Stafylidis, von Haus aus ein Linksverteidiger. Kapitän Anthony Losilla blieb auf der Sechs wie gegen Mainz und in Köln, die beiden Zugänge Elvis Rexhbecaj und Eduard Löwen begannen als Achter. Löwen und Stafylidis feierten damit ihr Startelf-Debüt.
So bewertet Trainer Reis das Startelf-Debüt von Stafylidis
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Stafylidis zeigte schon nach wenigen Sekunden, warum er spielte. Der 27-jährige, nach einer Saison ohne Einsatz für diese Saison ausgeliehen von der TSG Hoffenheim, führte den ersten Zweikampf gleich mit hoher Aggressivität. Und eroberte sich den Ball. Nach rund einer Viertelstunde bearbeitete der Grieche Herthas Dennis Jastrzembski an der Hertha-Eckfahne derart bissig, dass er einen Einwurf rausholte.
Das gab Szenenapplaus der erneut bestens aufgelegten knapp 13.300 VfL-Fans. Stafylidis kämpfte mit voller Überzeugung. „Ich wollte Mentalität und Power in der Mannschaft haben“, erklärte Reis seine Maßnahme. „Er hat auf der ungewohnten rechten Position gespielt und seine Sache sehr gut gemacht“, so der Coach. Im Spiel mit dem Ball, im Spiel nach vorne allerdings zeigte Stafylidis auch Schwächen.
Stimmung im Stadion beglückt auch Herthas Trainer Dardai
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Die Stimmung im Stadion beglückte nicht nur Dardai („Respekt an Bochum für diese Atmosphäre, das war endlich wieder Bundesliga-Fußball“), sie beflügelte auch den VfL. Und umgekehrt. Bochum war in der ersten halben Stunde klar Herr im Haus, machte Druck gegen blasse Herthaner, griff die Gäste früh und beherzt an. Zoller und Losilla rannten wie eh und je, Holtmann glückten ein paar gute Sprints auf links – doch die entscheidenden Pässe und Flanken kamen von Beginn an allesamt nicht an.
Weil sie eben nicht nur ordentlich verteidigt wurden, „sondern auch sehr unsauber“ gespielt waren, wie Reis ja nicht zum ersten Mal monierte. Nur einmal wurde es daher richtig gefährlich, als sich Rexhbecaj, mit Licht und Schatten unterwegs, am Strafraumrand durchsetzte. Seine Flanke köpfte Zoller im Flug rechts vorbei (16.). Parieren aber musste Torwart Alexander Schwolow im ersten Durchgang nur einen leicht zu fangenden Volleyschuss von Losilla.
Standards von Löwen kommen nicht - Reis sieht ihn nicht bei 100 Prozent
Früh hatten die deutlich aktiveren Bochumer bereits drei aussichtsreiche Standards vergeben. Eduard Löwen trat sie von rechts, von links, von rechts, aber er trat sie nicht gut, auch nach der Pause nicht. „Die Standards waren nicht das Gelbe vom Ei, das weiß Edu selbst“, sagte Reis, und Löwen sagte: „Meine Standards kamen nicht.“
Dem 24-Jährigen, für ein Jahr von Gegner Hertha BSC ausgeliehen, konnte die ihm angedachte Rolle als Schaltfigur im Zentrum noch nicht ausfüllen nach seiner suboptimalen Vorbereitung mit Olympia-Teilnahme und Verletzungspause. „Man hat gesehen, dass Edu noch nicht bei 100 Prozent ist“, so Reis und blickte auch gleich voraus: „Diese Spiele wie heute werden ihm gut tun.“
Losilla patzt, die Kollegen begleiten nur
Von Berlin kam offensiv nichts – bis zur 37. Minute, womit Knackpunkt drei ins Spiel kommt. Individuelle Fehler des VfL bestrafte die individuell stark besetzte Hertha mit gnadenloser Effektivität. Anthony Losilla verlor nahe des Mittelpunktes den Ball gegen Niklas Stark. Darida bediente den Ex-Schalker Suat Serdar. Die Offensivkraft wurde weder von Rexhbecaj noch von Stafylidis noch von Lampropoulos ernsthaft gestört. „Beim ersten und dritten Gegentor haben wir nur begleitet“, monierte Reis. Serdar zielte präzise ins rechte Eck aus 16 Metern.
Beim zweiten „bösen Nackenschlag“, so Reis, ärgerte sich der Coach über ein vermeintliches Foulspiel. Nach einem Einwurf verlängerte Losilla den Ball mit dem Kopf, Bella-Kotchap geriet im Fünfmeterraum beim Klärungsversuch ins Stolpern, und Lampropoulos legte für Serdar auf. Lampropoulos sei vorher umgerissen worden, ärgerte sich Reis, „da hätte ich mir eine andere Entscheidung des Schiedsrichters gewünscht.“
Fans und VfL geben nach der Pause noch einmal alles
Die Fans aber blieben bei ihrem Team. Feuerten sie an, noch lauter direkt nach dem Seitenwechsel. Und Zoller köpfte nach erstmals guter Freistoß-Flanke von Löwen, der nun etwas besser ins Spiel fand, knapp vorbei (48.). „Die Zuschauer standen hinter uns. Wir haben die Zweikämpfe geführt als wäre es jeweils der letzte“, lobte Reis den Einsatz von den Fans und von seinen Spielern.
Der Lohn: gute Chancen. Und ein Tor. Einen Freistoß von Stafylidis parierte Schwolow (54.), ein Schuss des starken Danilo Soares nach Klasse-Solo zischte übers Tor vor der Ostkurve, ehe diese etwas richtig Feines serviert bekam. Gerrit Holtmann setzte erneut zu einem Super-Solo an. Drei Berliner ließ er stehen und tanzte sie aus, seinen Schuss wehrte Schwolow ab, doch Zoller konnte den Ball dann ins leere Tor schießen. Der verdiente Anschluss-Treffer gegen gänzlich passive Berliner (59.).
Maolida sorgt für die Entscheidung
Bochum, nach einer Stunde mit Tesche für Losilla, rannte an, vor allem über links mit Soares, mit Holtmann. Bochum eroberte verlorene Bälle energisch zurück. Bochum hatte Freistoß- und Schuss-Chancen. Bochum verlagerte die Seiten. Und Berlin? Verwaltete. Zeefuik sah Gelb wegen Zeitspiels.
Und Berlin? Traf. In Person des eingewechselten Neuzugangs Myziane Maolida. Armel Bella-Kotchap hatte sich offenbar verletzt, konnte den nach Fehler im Zentrum und folgendem tiefen Pass los geschickten Berliner nicht ernsthaft folgen, und kein Kollege übernahm.
Reis nach dem 1:3: Da sind wir noch zu grün
Bella-Kotchap, bis dahin trotz des unglücklichen 0:2 richtig stark, humpelte vom Platz, für ihn kam Saulo Decarli. „Ich weiß noch nicht, ob er einen Krampf hatte oder sich ernsthafter verletzt hat. Ich hoffe, dass es nichts Dramatisches ist“, sagte Reis auf der Pressekonferenz. Besser verteidigen müsse man die Situation dennoch, im Zweifel auch mit einem Foul, so der Coach. „Da sind wir noch zu grün.“
Das 3:1, so formulierte es Pal Dardai treffend, beendete die Partie und hinterließ enttäuschte, aber nicht mutlose Bochumer. Dardai sagte: „Es muss schmerzhaft sein, wenn wir mit 35 Prozent Ballbesitz hier gewinnen. Aber wir sind sehr glücklich.“ Reis blickte voraus: „Wenn wir unsere Defizite verbessern und diese Intensität immer auf den Platz bringen, ist mir nicht bange.“
Der nächste Gegner könnte größer nicht sein. Am Samstag geht es zum FC Bayern.