Bochum. Aufsteiger VfL Bochum setzt beim 1:1 im Revierderby der spielerischen Überlegenheit des BVB eine Menge Leidenschaft entgegen.
Als der Schlusspfiff ertönte im Ruhrstadion, sprangen die meisten der 13.800 Fans nicht von ihren Sitzplätzen auf. Sie standen ja längst, seit Minuten schon. Und ballten dann wahlweise die Faust, jubelten ihr Glück in den dunklen Himmel oder fassten sich noch einmal lachend an den Kopf.
Ein gefühlter Sieg für den VfL
Ihr im Sommer der Zweitliga-Tristesse entflohener VfL Bochum hatte den leidenschaftlichen Abwehrkampf gegen den drückend überlegenen, mit Chancen wuchernden Revierrivalen Borussia Dortmund, dem Gegner aus der Champions League, gefühlt gewonnen. Nach dem 1:1 im ersten Bundesliga-Derby des VfL seit elfeinhalb Jahren, nach den Treffern von Bochums Sebastian Polter per Elfmeter (39.) und Dortmunds Julian Brandt aus kurzer Distanz (85.), schritten die Bochumer Profis die Fanreihen erschöpft, aber mit stolz erhobenen Köpfen ab. Sie applaudierten, die Fans applaudierten. Dortmunds Spieler indes gingen ungläubig Richtung Kabine: Ihr Anrennen war nur ein Punkt wert.
VfL-Trainer Reis: „Ich bin stolz auf diese Mannschaft"
„Wir sind absolut glücklich, dass wir in diesem Bonusspiel auch einen Bonuspunkt mitgenommen haben“, sagte Trainer Thomas Reis hinterher zufrieden und drückte aus, was wohl die meisten Anhängerinnen und Anhänger dachten. „Ich bin stolz auf diese Mannschaft, wie sie dieses Derby bestritten hat.“ Gerade in der zweiten Halbzeit habe Dortmund gedrängt, gedrückt, den Willen gezeigt zu gewinnen. Der BVB war turmhoch überlegen, lag in fast allen Statistiken vorne. Bei den Ecken zum Beispiel: 15:0! „Im Moment haben wir auch das Spielglück“, sagte Reis, dessen Team schon beim letzten Heimspiel gegen die spielerisch überlegenen Freiburger mit 2:1 gewonnen hatte. „Die Mannschat hat eine super Mentalität, sie hat unheimlich gefightet“, lobte Reis. „Aufgrund dieser Mentalität haben wir uns den Punkt auch verdient. Wir waren in die Defensive gezwungen, und das haben wir hinten gut gelöst.“
Mit größtem Willen, Entschlossenheit, mit sich in die Bälle schmeißenden Köpern, mit energischer Zweikampfführung im und um den Strafraum wehrten sich die Bochumer gegen die fußballerische BVB-Dominanz. Erhan Masovic und Maxim Leitsch entpuppten sich als Block-Meister, hatten immer wieder ein Bein dazwischen, warfen sich in die Schuss-Bahn. Drei Mal klärten Leitsch, Masovic und Danilo Soares auf der Linie. Ein Treffer von Marius Wolf zum vermeintlichen 1:1 zählte nach Videoentscheid nicht wegen einer Abseitsposition Jude Bellinghams, der Riemann die Sicht einschränkte. Der Torwart, Manuel Riemann, erledigte den Rest. Fast. Denn der Fußball-Gott, auch der trug blau und weiß an diesem Samstag.
Und Erling Haaland? Scheiterte zwei-, dreimal aussichtsreich, bereitete am Ende den Ausgleich maßgeschneidert vor. Insgesamt aber verteidigte der VfL die Wucht und Dynamik des Norwegers gemeinschaftlich bravourös, verhinderte meist die gefürchteten tiefen Läufe des 20-Jährigen. Wobei der BVB in der zweiten Halbzeit ja nur in der VfL-Hälfte verbrachte.
„Ich kann der Mannschaft da keinen Vorwurf machen, sie hat ein gutes Spiel gemacht und bis zum Schluss alles probiert“, meinte Alexander Zickler, der den gesperrten BVB-Cheftrainer Marco Rose vertrat. Nur: „Wir haben ein Tor zu wenig erzielt gegen einen leidenschaftlich verteidigenden Gegner. Bochum hat es auch gut gemacht.“
"Emotionen pur" in Bochum
Im ersten Durchgang hatte Bochum auch in Dortmunds Hälfte etwas mehr zu bieten, wenngleich Trainer Reis die erhoffte Tiefe vermisste. Die größeren Chancen, auch aus zu leichten Fehlern des VfL resultierend, hatte der BVB. So scheiterte Jude Bellingham an einem Riesenreflex von Riemann.
Und auf der anderen Seite führte der erste gefährliche Umschaltmoment des VfL gleich zum Erfolg. Der auffällige, tempogeladene Christopher Antwi-Adjei enteilte nach Pass von Elvis Rexhbecaj. Torwart Gregor Kobel kam zu spät, erwischte nur noch Antwi-Adjeis Bein im Strafraum – klarer Elfmeter. Sebastian Polter verwandelte sicher, sein sechstes Saisontor bedeutete die Bochumer Führung nach 39 Minuten. „Das waren Emotionen pur, das war hier ein Derby, ein für die Fans bedeutsames Spiel“, erklärte Polter seinen freudvollen Ritt vor die ausflippenden Fans. „Für uns war es wichtig, in Führung zu gehen. Wir hätten hinten liegen können, als Manu zweimal überragend hält. Genau das hat es gebraucht heute, auch das nötige Glück. Wir haben hier gegen Dortmund gespielt. Wir sind sehr froh.“
Denn seine Führung hielt lange, auch in Halbzeit zwei, als der Rasen der BVB-Hälfte geschont wurde für andere Partien. Bis zur 85. Minute, als der eingewechselte Julian Brandt Bochums Danilo Soares im Rücken entwischt war und Haalands Maß-Flanke über die Linie schoss. „Über das Tor habe ich mich erst geärgert. Aber Dortmund hatte schon viele Chancen“, sagte VfL-Kapitän Anthony Losilla. „Wir haben richtig gut gekämpft. Dass wir einen Punkt mitgenommen haben, das ist richtig gut bei diesem besonderen Derby für uns.“
Reis: "Wir sind eine Heimmacht geworden"
So gut sogar, dass Bochum mit 20 Punkten als Tabellenzehnter nach 15 Spieltagen doppelt so viele Punkte hat wie der Vorletzte Arminia Bielefeld. „Man kann bisher sagen, dass wir erfolgreich in die Bundesliga zurückgekehrt sind. Ich weiß nicht, wer auf 20 Punkte gewettet hätte nach 15 Spielen. Wir haben zuletzt auch das Spielglück, wir haben tolle Fans, wir sind eine Heimmacht geworden“, meinte Reis. Um aber gleich zu mahnen: „20 Punkte reichen noch nicht für unser Ziel.“ Das bleibt, natürlich, der Nicht-Abstieg.
Bis zum Jahresende geht es nun noch zu Arminia Bielefeld und daheim gegen Union Berlin am kommenden Samstag. Für die Arminia steigt am Dienstag (20.30 Uhr) gegen den VfL fast schon ein erstes Endspiel. Bochum hofft dann nicht auf Bonuspunkte. Sondern auf Big Points im Kampf um den Klassenerhalt.