Bochum. Nach dem 0:1 gegen Leipzig will Trainer Reis viel Positives mitnehmen ins Pokalspiel gegen Freiburg. Es ist mit offensiven Wechseln zu rechnen.
Völlig erschöpft sank Armel Bella Kotchap zu Boden nach dem Schlusspfiff, blieb dort lange liegen, vergrub sein Gesicht unter seinen Händen. Torwart Manuel Riemann schritt kopfschüttelnd an ihm vorbei, frustriert nach einer bitteren 0:1-Niederlage gegen Chamions-League-Anwärter RB Leipzig.
Riemann hatte einen vergleichsweise ruhigen Nachmittag erlebt gegen den Tabellenvierten, anders als Bella Kotchap. Der Abwehr-Fighter des VfL Bochum hatte 90 Minuten plus Nachspielzeit seine ganze Physis ins Spiel geworfen, den Ball auch mal aufs Stadiondach gedroschen, sich über die Leipziger Köpfe hinweg geschmissen, viele Zweikämpfe mit purer Willenskraft gewonnen.
Bella Kotchap und seine VfL-Kollegen verteidigen „sehr aktiv“
Bella Kotchap lebte die Kompromisslosigkeit vor, mit der der Aufsteiger auch gegen Top-Teams bestehen kann, mit der der Aufsteiger gegen RB Leipzig auftrumpfte. Ebenso wie Innenverteidiger-Kollege Maxim Leitsch, wie die gesamte VfL-Mannschaft war der 20-Jährige den Roten Bullen mächtig auf den Zeiger gegangen. Bochum verteidigte geschlossen und „sehr aktiv“, lobte Trainer Thomas Reis hinterher, zwang RB zu langen Bällen statt zum gepflegten Ballbesitz-Fußball.
Wenn aber die Fans ein aufmunterndes „Ihr habt gekämpft wir hams gesehn“ in die Luft schleudern, weiß man: Es hat nicht ganz gereicht. Bochum traf die Latte (Anthony Losilla/70.), Bochum traf den Pfosten (Christopher Antwi-Adjei/77.), Bochum schoss zweimal aus guter Position (Pantovic/56., Rexhbecaj/85.) übers Tor, verpasste so die Führung oder den Ausgleich. Fehlende Effektivität, das war für Reis „das einzige Manko, das ich meiner Mannschaft vorwerfen kann“. Und der Unterschied, in Punkten gemessen.
Der Unterschied: die Abschluss-Qualität
Bochum presste, attackierte mutig und drehte am Ende sogar auf. Aber Leipzig traf. Spät, gnadenlos. Ein einziges Mal schoss RB aufs Tor von Riemann, der Ball zappelte dank Christopher Nkuku im Netz in Minute 81. „Da hat man dann auch die Qualität von Leipzig gesehen“, sagte Reis.
Der Treffer fiel in Bochums bester spielerischer Phase, als der VfL dem Sieg näher war als einer Niederlage. Der VfL war drückend aufgerückt, und einer der wenigen gelungenen Konter der Leipziger, eingeleitet vom starken Abwehrmann Simakan, vollendete der eingewechselte Top-Torjäger Nkunku zum 0:1.
Klassenerhalt in Reichweite: Klare Entwicklung – und kein Konkurrent gewinnt
Siebtes Spiel gegen Leipzig, siebte Niederlage – doch so knapp war es wohl noch nie. Schon gar nicht im Hinspiel, als Bochum noch weitgehend in der Statisten-Rolle zu finden war. Reis: „Die Niederlage ist sehr bitter. Aber wir können trotzdem stolz sein, einem Spitzenteam Paroli geboten zu haben, das nehmen wir mit. Man sieht unsere Entwicklung. Wenn wir so weitermachen, werden wir unsere Punkte holen für den Klassenerhalt.“
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Der ist weiterhin in Reichweite bei sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang. Keiner der Konkurrenten hinter dem Tabellenelften VfL feierte einen Sieg. Stuttgart, Hertha und Bielefeld verloren. Wolfsburg, Mönchengladbach und Augsburg spielten remis.
So bewertet Reis Polter und Löwen
Reis hatte vier Mal rotiert nach dem 1:1 gegen Stuttgart. Eduard Löwen durfte erstmals seit fünf Pflichtspielen von Beginn an ran, mit dem nach Gelb-Sperre zurückgekehrten Elvis Rexhbecaj besetzte er die Achter-Positionen anstelle von Patrick Osterhage und Milos Pantovic. Letzterer aber blieb in der Startelf, trotz seines Tempo-Defizits als Außenstürmer. Takuma Asano, mit Licht und Schatten unterwegs gegen eine ebenfalls zweikampfstarke, robuste RB-Defensive, übernahm den anderen Flügel. Und Stoßstürmer Sebastian Polter durfte erstmals nach fünf Joker-Spielen mal wieder von Beginn an ran.
Der in der Woche angeschlagene Gerrit Holtmann, Christopher Antwi-Adjei und Jürgen Locadia blieben zunächst auf der Bank – vielleicht auch mit Blick aufs Pokalspiel am Mittwoch gegen Freiburg und das anschließende Favoriten-Heimspiel gegen die unbequem gewordenen Mitaufsteiger aus Fürth, auch wenn Trainer Reis das so nicht sagt öffentlich. „Der Kader ist eng zusammengerückt“, erklärte der Trainer. „Ich kann immer Spieler bringen, die frischen Wind bringen.“
Defensiv arbeiteten die Bochumer zunächst alle mit Überzeugung. Auch Polter, auch Löwen halfen mit, Leipzig zu langen Bällen zu zwingen. Er habe sich „aufgerieben in den Zweikämpfen“, mit Willi Orban auch einen starken Mann gegen sich gehabt, sagte Reis, und Löwen sei „besser ins Spiel gekommen“ als zuletzt. „Ich war mit beiden zufrieden.“
Leipzig bringt ein 150-Millionen-Angriffs-Trio nach 60 Minuten
Offensiv fehlte Bochum aber das Tempo und die Spielfreude wie bei den letzten Heimspielen, viele Unterbrechungen prägten die lange zerfahrene, ausgeglichene Partie ohne viele Höhepunkte – Manuel Riemann, in der ersten halben Stunde im Hinspiel noch unter Dauerbeschuss, musste lange Zeit nicht als Torwart, sondern nur als Mitspieler eingreifen.
Leipzigs Trainer Domenico Tedesco, der nach dem erfolgreichen Europa-League-Auftritt in San Sebastian am Donnerstag gleich sieben Spieler auf die Bank rotiert hatte, brachte in Minute 60 mit Nkunku, Olmo und Silva drei Offensivkräfte, die auf einen geschätzten Marktwert von rund 150 Millionen Euro kommen – ein Trio, das drei Mal so teuer ist wie der gesamte Bochumer Kader.
Doch sofort setzte sich Bella Kotchap durch gegen Nkunku an der Eckfahne, der von Tedesco erhoffte Effekt blieb überschaubar – und Bochums Reis zog nach, brachte zehn Minuten nach Tedesco ebenfalls drei frische Offensivkräfte, die gegen Bayern von Beginn an geglänzt hatten. Spielerisch nahm Bochum mit Locadia, von einigen Fans bereits lautstark gefordert („Wir wolln den Jürgen sehn“), Holtmann und Antwi-Adjei an Fahrt auf.
Mehr Spielwitz, Druck und Tempo mit eingewechseltem VfL-Offensivtrio
Locadia zeigte mit erstem Abschluss und passgenauen, schnellen Vorlagen gleich Spielwitz, Holtmann flankte auf den gleich auf höchsten Einsatz schaltenden Antwi-Adjei so präzise, dass der kleine schnelle Außenmann sogar mit dem Kopf das 1:0 hätte erzielen können. Der Pfosten verhinderte es, Löwens Nachschuss wurde geblockt. Bochum war da, das Stadion wurde lauter – doch Leipzig schlug eiskalt zu.
Extrem bitter, sagten Holtmann und Losilla bei den TV-Interviews, als die Fans schon freudig voraus sangen: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“ Am Mittwoch geht es weiter, im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den SC Freiburg. Ein Highlight.
Es würde nicht überraschen, wenn Locadia, Holtmann und Antwi-Adjei dann wieder in der Startelf auftauchen. Reis: „Die Niederlage heute tut weh, aber am Mittwoch haben wir wieder ein tolles Spiel gegen einen tollen Gegner vor uns. Wir müssen uns jetzt regenerieren und am Dienstag sehen, wer bereit ist für das Pokalspiel. Wir wollen das Positive mitnehmen, wieder so aktiv verteidigen und unsere Effektivität verbessern.“