Bochum. Beim 2:0-Sieg des VfL Bochum gegen Hoffenheim ging es emotional zu. Warum Reis den vergebenen Elfmeter auf seine Kappe nimmt.
Das Ruhrstadion bebt schon wieder in seinen Grundfesten. Milos Pantovic schießt in der sechsten Minute der Nachspielzeit von der Mittellinie aufs leere Tor. Der Ball trudelt vor den ausflippenden Fans in der Ostkurve, vor den meisten der 19.600 Anhänger, ins Netz. 2:0 für aufopferungsvoll kämpfende Bochumer gegen die spielstärkere TSG Hoffenheim. Nach dem dritten Heimsieg und dem fünften Saisonspiel ohne Gegentor klettert der Aufsteiger auf Rang zwölf mit 13 Punkten.
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Manuel Riemann eilte nach dem Schlusspfiff, der direkt nach dem erlösenden 2:0 erfolgte, zu Pantovic. Er drückte ihn, er herzte ihn, er dankte ihm. Riemann hatte in diesem Nerven aufreibenden Spiel einen Elfmeter verschossen. Pantovic stand am Punkt bereit, auch Eduard Löwen. Aber die Fans forderten mit Sprechchören Riemann, der im Pokal gegen Augsburg das entscheidende 7:6 erzielt hatte im Elfmeter-Drama. Riemann also kam hinzu. Jetzt diskutierten drei Spieler. Wer schießt?
Riemann. Er schoss weit über das Tor (76.). Er vergab damit das frühere 2:0. „Manu ist ein sehr guter Rückhalt für uns“, sagte Pantovic, der Matchwinner, hinterher ganz entspannt. „Dass ein Elfmeter auch mal in die Hose geht, passiert schon mal. Wir haben uns ausgesprochen, damit ist die Sache auch erledigt.“
Bochums Trainer Reis: "Das nehme ich auf meine Kappe"
Für Trainer Thomas Reis noch nicht. Denn der Coach will demnächst vielleicht doch selbst den Schützen (mit-)bestimmen, was er bisher nicht tat. Es sei ja gut, dass mehrere Spieler Verantwortung übernehmen wollen, so Reis. Aber: „Es standen schon zwei Spieler da, die schießen wollten. Das Stadion forderte Manu“, erklärte er hinterher das Gefühls-Wirrwarr, die Diskussionen, die so lange dauern konnten, weil die Hoffenheimer lange reklamierten und sich zwei Gelbe Karte abholten. „Manu kam dann als Dritter hinzu, es gab Diskussionen, das hat heute nicht so gut funktioniert“, meinte Reis. „Das hätte ich besser moderieren müssen, das nehme ich auf meine Kappe.“
Heute aber, so der Coach nach dem Happy End, könne man das „verkraften“. Denn „die ganze Mannschaft hat sich ein großes Lob verdient. Alle haben Gas gegeben, zusammen mit unseren fantastischen Fans war es wieder ein Spektakel.“ Basis des Erfolges war dabei wieder eine diszipliniert verteidigende, kompakt agierende, bissig in die Zweikämpfe gehende Mannschaft des VfL, die Hoffenheim letztlich nur wenig klare Chancen gönnte.
„Manuel Riemann“ schallte es hinterher auch aus der Ost nach dem Schlusspfiff. „Milos Pantovic“ auch. Und, vielleicht noch kräftiger: „Wir woll’n den Trainer sehn.“ Thomas Reis ging Richtung Fankurve, applaudierte kurz, machte dann kehrt. Die Journalisten warteten ja auch noch auf den Aufstiegs-Trainer.
Bochums Trainer Reis wechselt den Sieg ein
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Reis hatte wieder einmal ein mehr als glückliches Händchen bei seinen Einwechslungen. In der 64. Minute brachte er Pantovic und Soma Novothny für die diesmal glücklosen Elvis Rexhbecaj und Sebastian Polter. Pantovic, selbstbewusst und spielfreudig wie noch nie in seinen dreieinhalb Bochumer Jahren, flankte kurz darauf präzise, Novothny köpfte aus kurzer Distanz ein. Nach Videoentscheid galt der Treffer. Das Abseits von Novothny in der Entstehung zuvor war für Schiedsrichter Frank Willenborg nicht maßgebend, da Kevin Vogt den Ball rausgeköpft hatte zum Flankengeber Pantovic. 1:0 Bochum, nur zwei Minuten nach dem Doppelwechsel. Das Stadion stand kopf. „Die Fans haben einen Großteil zu unserem Sieg beigetragen“, lobte Pantovic die Anhänger. „Ich hoffe, dass wir so weitermachen und den Fans solche Spektakel liefern können. Dann bin ich mir sicher, dass wir den Klassenerhalt schaffen.“
Pantovic war in der im zweiten Durchgang packenden, teils wilden Partie fortan an allen gefährlichen Situationen beteiligt. Novothny holte noch den Elfmeter nach einem Schubser von Florian Grillitsch heraus. „Ich glaube, Soma und ich sind in sehr guter Verfassung, der Trainer kann so auch Qualität von der Bank bringen“, erklärte Pantovic hinterher. Wobei er, natürlich, noch lieber von Beginn an spielen würde.
Reis hatte sich in der Startelf für Eduard Löwen entschieden. Es sei, so Reis, „eine knappe, schwere Entscheidung gewesen. Ich freue mich, dass Milos sich so belohnt hat.“ Auch Novothny habe sich seinen Einsatz im Training verdient. „Er ist ein Junge, der immer Gas gibt, er ist nicht umsonst fester Bestandteil unseres Spieltags-Kaders“, so der Trainer. Und Löwen übrigens zeigte seine bisher stärkste Leistung für den VfL, vor allem in Durchgang zwei.
Novothny nach seinem ersten Bundesliga: "Mit Worten nicht zu beschreiben"
Pantovic machte dann nach einer Phase des Zitterns und Bibberns, als Hoffenheim samt Torwart Baumann noch einmal alles nach vorne warf, den Deckel drauf gegen eine lange Zeit spielerisch überlegene, aber unterm Strich im Abschluss zu harmlose und am Ende hektische TSG. „Ich kann noch ein bisschen weiterlaufen, aber ich hab gesehen, dass das Tor leer war“, erklärte Pantovic seinen zweiten Saisontreffer, und Soma Novothny strahlte nicht minder zufrieden vor den laufenden Kameras: „Ich bin so glücklich, dass ich der Mannschaft helfen konnte mit meinem Tor, das ist mit Worten nicht zu beschreiben“, sagte er nach seinem ersten Bundesliga-Treffer in seiner Karriere.
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Die Fans jedenfalls zogen glückselig heim, und Trainer Reis geht „mit einem guten Gefühl“ in die Länderspielpause. In zwei Wochen geht es weiter bei Bayer Leverkusen. Bis dahin darf der VfL zwar kein Liga-Spiel, aber die Tabelle, den letzten Eindruck genießen. Anthony Losilla, der Kapitän, ist jedenfalls richtig stolz auf seinen VfL: „Alle Siege sind geil für uns, wir genießen jedes Spiel zuhause, das macht einfach Spaß“, sagte der erneut überzeugende Mittelfeldmann. „Heute war die Stimmung wieder überragend. Wir merken, dass die Fans uns Kraft geben.“ Kraft, die zum Klassenerhalt führen soll – mit dieser Heimstärke, nach 2:0-Siegen gegen Mainz, Frankfurt und nun Hoffenheim, ist das sicherlich keine Utopie.