Bochum. Ex-Bochum-Trainer Klaus Toppmöller vermisst beim VfL die spielerische Klasse. Von seinem ehemaligen Schützling Thomas Reis ist er überzeugt.

Klaus Toppmöller hat in seiner Trainerkarriere viel erlebt. 1992 holte er mit Eintracht Frankfurt die Vizemeisterschaft. Etwa zehn Jahre später stand der 68-Jährige mit Bayer Leverkusen im Champions-League-Endspiel gegen Real Madrid, das die Madrilenen äußerst glücklich mit 2:1 gewannen. Die wohl emotionalste Zeit verbrachte er beim VfL Bochum. Unvergessen bleiben die rauschenden Europapokal-Nächte, als Spieler wie die „Zaubermaus“ Dariusz Wosz und Peter Peschel den VfL bundesweitet in die Schlagzeilen brachten. Nach Siegen gegen Trabzonspor und den FC Brügge schieden die Bochumer 1997 erst im Achtelfinale gegen Ajax Amsterdam aus (2:4, 2:2).

Noch heute macht sich der Jahrhundert-Trainer des VfL Bochum Gedanken um seinen ehemaligen Verein. Wir haben uns mit Klaus Toppmöller vor dem Pokalspiel des VfL gegen die Bayern unterhalten.

Klaus Toppmöller, Sie wohnen schon seit längerer Zeit wieder in Ihrem Heimatort Rivenich. Verfolgen Sie trotzdem noch das Geschehen beim VfL?

Klaus Toppmöller: Natürlich beschäftigt mich die sportliche Situation. Der VfL ist ein toller Verein mit einmaligen Fans. Vor der Saison dachte ich, dass Bochum um den Aufstieg mitspielen könnte. Daher ist es schade, dass Bochum momentan in der Tabelle so schlecht dasteht.

Ihr Herz hängt auch am 1.FC Kaiserslautern. Dort läuft es noch schlechter als in Bochum.

Es macht mich traurig, dass der FCK vor dieser tollen Kulisse so mutlos auftritt. Für Spielbesuche fehlt mir aber die Zeit, da ich momentan regelmäßig bei den Partien meines Sohnes vor Ort bin.

Ihrem Sohn Dino gelang zuletzt mit dem luxemburgischen Verein F91 Düdelingen die Europa League-Qualifikation. Aktuell steht er mit dem Verein RE Virton an vierter Stelle in der 2. belgischen Liga. Wann sehen wir ihn als Trainer in Deutschland?

Momentan macht er in Hennef den Trainerschein. Danach ist alles denkbar.

Bei beiden Vereinen ist auch Investor Flavio Becca aktiv, der vor der Saison beim FCK eingestiegen ist. In der Presse stand, dass Sie sein Berater wären.

Herrn Becca kenne ich gut und habe ihn auch dazu überredet, beim FCK anzufangen. Aber es besteht seit April kein Kontakt mehr zu ihm.

Der VfL ist auf der Suche nach einem Investor. Wäre das ein Schritt in die richtige Richtung?

Ich denke schon, dass es der richtige Weg ist, denn ohne Geld ist man heute verloren.

Ist es denn im Zeitalter von Vereinen wie Leipzig und Hoffenheim noch realistisch, dass Bochum irgendwann wieder dauerhaft in der Bundesliga spielt?

Da muss man doch nur nach Mainz schauen. Was dort möglich ist, sollte in Bochum auch realisierbar sein. Die Mainzer kaufen den französischen Vereinen für wenig Geld Spieler ab und verkaufen sie später für das Zehnfache weiter. Manager Rouven Schröder ist sehr gut vernetzt und hat dort eine gut funktionierende Scoutingabteilung aufgebaut.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe für die VfL-Krise? Liegt es an der Einstellung der Spieler?

Von außen betrachtet kann man keinem Spieler das Bemühen absprechen. Einigen Profis fehlt aber die spielerische Klasse. Ich habe damals eine komplette Viererabwehrkette neu zusammengestellt mit Stickroth, Waldoch, Kracht und Reis - das waren alles intelligente Spieler und vor allem gute Fußballer. Diesen technisch feinen Fußball vermisse ich momentan beim VfL.

Mit Thomas Reis haben Sie ja bereits bei Eintracht Frankfurt zusammengearbeitet. Welche Eigenschaften haben Sie zu seiner Spielerzeit an ihm geschätzt?

Thomas war nicht der Allerschnellste, hatte aber ein gutes taktisches Verständnis. Zudem war er ein feiner Fußballer. Und als Trainer konnte man wunderbar mit ihm arbeiten, da er nie Probleme gemacht hat. Er konnte aber auch bissig sein. Wenn ihm etwas nicht passte, dann sprach er das direkt an.

Der VfL ist für Thomas Reis die erste Profitrainer-Station. Geht der Verein damit ein Risiko ein?

Thomas leistet seit vielen Jahren im Jugendbereich erfolgreiche Arbeit. Von daher hat er diese Chance absolut verdient.

Worauf haben Sie als Trainer besonderen Wert gelegt?  Sie hatten ja vor allem ein Händchen für vermeintlich schwierige Typen.

Für mich stand schon immer der Mensch an erster Stelle. Mir war es wichtig, dass man einerseits ehrlich miteinander umgeht, andererseits die Jungs aber auch mal wachrüttelt. Was zum Beispiel über Thomas Stickroth in der Presse stand, war mir total egal. Das war der feinste Kerl, den ich je trainert habe. Ein wirklich schwieriger Fall war Sergej Juran. Er hat uns gegen Trabzonspor fast alleine zum Sieg geschossen. Leider habe ich es nicht geschafft, ihn vom Alkohol zu trennen.

Stimmt es eigentlich, dass Sie den 5:3-Rückspiel-Sieg gegen Trabzonspor (Hinspiel 2:1 für Trabzon) in der ersten Runde des damaligen UEFA-Cups noch bis in die Morgenstunden in der Bochumer Innenstadt gefeiert haben?

Das war in der Tat eine lange Nacht nach dem Spiel. Auch die Reporter waren dabei. Morgens haben wir gemeinsam beim Metzger gefrühstückt.  Anschließend sind wir mit der Straßenreinigung durch die Stadt zum Training gefahren.

Das nächste große Highlight steht für die Bochumer heute im DFB-Pokal an. Dann kommt der scheinbar übermächtige FC Bayern. Sie haben als Spieler von zehn Spielen gegen den FCB sechs gewonnen. Legendär bleibt der 7:4-Sieg mit Kaiserslautern im Jahr 1973.

Vor allem gegen Franz Beckenbauer habe ich an dem Tag gut ausgesehen. Der Franz wollte mich auch später als Trainer zum FC Bayern holen. Leider hatte Uli Hoeneß etwas dagegen. Er hat mir den „Bye, Bye Bayern“-Spruch aus meiner Frankfurter Zeit bis heute nicht verziehen.

Auch mit dem VfL konnten Sie die Bayern bereits ärgern. 1996 holten Sie als Aufsteiger ein 1:1 im Olympiastadion. Wie muss man man gegen Bayern auftreten?

Das Spiel wollte ich unbedingt gewinnen. Wir haben den FC Bayern fast vorgeführt und sind vor den 1:1-Ausgleich in einen Konter gelaufen. Der VfL sollte ohne Angst spielen. Dann hat man eine Chance, auch wenn München haushoher Favorit ist.