Essen. An diesem Samstag trifft der VfL Bochum auf den FC Bayern. Sensationen hat es schon gegeben. Unser Autor erinnert sich an eine ganz besonders.

Vater und Mutter hatten mit Fußball nichts am Hut. Ihr Sprössling aber kickte gegen jede Kastanie, jede Blechdose, jeden Stein, der ihm vor die Füße kam. Die Spiele mit Gleichaltrigen auf dem Garagenhof, erst mit einem Plastik-, später sogar mit einem zum Heiligtum erklärten Lederball, hatten WM-Finalstatus. Der eine war Uwe Seeler, der andere Franz Beckenbauer, der nächste Gerd Müller. Auch Stan Libuda, Lothar Emmerich, Ente Lippens, die Helden aus den Ruhrgebietsvereinen, waren im Miniformat am Start.

1968: VfL Bochum überrascht im DFB-Pokal

Und dann kam der Tag, an dem der kleine Junge mitbekam, dass die Möglichkeit bestehen könnte, ganz in der Nähe einige der Idole leibhaftig besichtigen zu können. In einem Stadion, das mit der Straßenbahn zu erreichen war. Regionalligist VfL Bochum hatte 1968 Borussia Mönchengladbach mit 2:0 im Viertelfinale aus dem DFB-Pokal geworfen – also war es denkbar, dass nun die Bayern (mit Beckenbauer!) der nächste Gegner sein würden. Die Eltern glaubten dem Kurzen nicht, Bochum war doch nicht großer Fußball. Leichtsinnig sagte der Vater: Kommt das so, gehen wir ins Stadion.

Es kam so. Nach der Pokal-Auslosung weckte die Mutter den Jungen am nächsten Morgen mit den Worten: Bochum spielt gegen Bayern! Und der Vater hielt sein Wort. Anfangs verzweifelte er, weil er keine Vorstellung davon hatte, wie viele Menschen ebenfalls die Idee hatten, dieses Spiel zu besuchen. Ein Arbeitskollege half beim Kartenkauf mit faszinierendem Erfolg: Der erste Stadionbesuch stand an.

Two and a half men machten sich auf den Weg „anne Castroper“, und am Ende wurde es eng. So eng, dass die beiden Erwachsenen Angst um den kleinen Kerl hatten. Sie keilten ihn ein, unterstützt von weiteren Männern, und das war bitter nötig: Vor den Toren des Ruhrstadions wurde gedrückt und gedrängelt, dass schon Panik aufkam. Als endlich die Stehplätze erreicht waren, war dort kaum noch Platz. Der Kurze hätte nichts gesehen, also wurde er einfach nach vorne geschickt. Bis zur Außenlinie. Da saßen auch die anderen Kinder. Ein YouTube-Video zeigt, dass sich niemand um Sicherheit scherte: Viele quetschten sich direkt an den Spielfeldrand.

Der kleine Debütant hockte an der Eckfahne, vielleicht zwei Meter von den Schützen entfernt. Bis heute blieb in Erinnerung, dass für die Bayern Dieter Brenninger die Ecken schoss, die Gerd Müller veredeln sollte. Und dass statt des „Bombers“ Jürgen Jansen und Werner Balte trafen. Der Außenseiter VfL Bochum gewann mit 2:1 und zog ins Endspiel ein – das er dann gegen den 1. FC Köln 1:4 verlor.

Nach seinem Aufstieg drei Jahre später hat der VfL die Münchener noch mehrmals besiegt, immer furios. Die Mutter aller Bochumer Erfolge gegen die Bayern aber war jenes beeindruckende Pokal-Halbfinale von ‘68. Kein schlechter Einstieg für einen verrückten kleinen Fußball-Fan. Und die frühe Lehre: Sensationen sind immer möglich.