Bochum. Manuel Riemann ist Garant für den Erfolg des VfL Bochum. Der Torwart spricht über Erfolgsgründe, Verbissenheit, Fans und seine Interview-Pause.
Er ist einer der stärksten Torhüter der Bundesliga – und das in seiner ersten Saison in der höchsten Klasse. Manuel Riemann, die Nummer eins des VfL Bochum, überzeugte als Keeper und als spielstarke Anspielstation. In Hoffenheim etwa bereitete der 33-Jährige beide Treffer von Takuma Asano zum 2:1-Sieg vor mit präzisen langen Bällen.
Nach dem 0:3 in Leipzig Anfang Oktober hatte der lautstarke Führungsspieler vor laufenden Kameras Kritik geübt und seitdem Interviews gemieden. Vor dem fünftletzten Spiel der Saison des VfL in Freiburg am Samstag (15.30 Uhr/Sky) äußert sich Riemann gegenüber dieser Redaktion über die Saison, inneren und äußeren Druck in seiner Karriere, eigene Fehler, schöne Momente, Fans, die Gründe für den Erfolg und seine lange Interview-Pause.
VfL Bochums Torwart Riemann: Wir werden keine fünf Spiele am Stück verlieren
Hallo, Herr Riemann. Kapitän Anthony Losilla hat nach dem 0:0 gegen Leverkusen gesagt, er mache sich keine Sorgen mehr, was den Klassenerhalt angeht. Stimmen Sie ihm zu?
Manuel Riemann: Das sehe ich ähnlich. Aber Glückwünsche für den Klassenerhalt nehme ich noch nicht entgegen. Erst, wenn wir auch faktisch durch sind. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass wir bei zehn Punkten Vorsprung und nur noch fünf ausstehenden Spielen noch tief unten reinrutschen, aber eben nicht unmöglich. Wobei ich davon überzeugt bin, dass wir keine fünf Spiele am Stück verlieren werden.
Der VfL ist als Aufsteiger mit dem zweitkleinsten Etat der Liga aktuell Tabellenzwölfter mit 36 Punkten. Was sind die Gründe für den bisherigen Erfolg?
Riemann: Es sind dieselben Gründe, die zu unserem Aufstieg geführt haben: Wir spielen mit einer hohen Intensität, lassen unser Herz auf dem Platz und hauen uns voll rein. Für diesen Aufwand sind wir oft belohnt worden. Dazu haben wir auch Qualität am Ball, wobei wir die noch nicht in Gänze ausgespielt haben. Wäre das der Fall gewesen, hätten wir schon jetzt mehr Punkte auf dem Konto. Wir sind eine Mannschaft, die sehr eklig zu bespielen ist. In der Bundesliga wollen viele Mannschaften den Ball haben. Wir arbeiten zusammen gegen den Ball und haben bei Ballgewinn gute Umschaltmomente.
Riemann über Fans: Es macht Spaß, vor ihnen zu spielen
Welchen Anteil haben die Fans am Erfolg?
Riemann: Wir sind eine Gemeinschaft. Der Verein tritt in sich geschlossen auf, das schließt die Fans mit ein. Unsere Fans sind großartig, sonst wären wir nicht so heimstark. Es macht einfach Spaß, vor ihnen zu spielen. Auch auswärts ist der Support sehr stark. Der Vorfall gegen Mönchengladbach hat das zwar ein wenig eingetrübt, aber es war hoffentlich ein einmaliges Ereignis. Wir werden bundesweit für unsere Stimmung im Stadion gelobt. Insgesamt haben wir den VfL Bochum in der Bundesliga sehr respektabel präsentiert.
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Nach dem 0:7 hat Trainer Thomas Reis die Sinne noch mehr auf die gemeinschaftliche Defensivarbeit gelegt. Und immer wieder auch den Torwart Manuel Riemann gelobt, der so manchen Punkt festhielt. Auch diverse Statistiken und Ranglisten sehen Sie im Bundesliga-Ranking weit vorne. Wie erklären Sie sich auch Ihren persönlichen Erfolg?
Riemann: Meine Qualitäten sollen andere bewerten. Ich war auf dem langen Weg in die Bundesliga vielleicht in der einen oder anderen Situation zu verkopft oder zu verbissen, weswegen mir auch Fehler unterlaufen sind. Der innere Druck, es unbedingt in die Bundesliga schaffen zu wollen, ist mit dem Druck, der von außen an einen herangetragen wird, kaum zu vergleichen. Das alles führte dazu, dass ich zuweilen kritischer beurteilt wurde, als es der Realität entsprach. Irgendwann habe ich es aber akzeptiert. Durch den Aufstieg ist dieser spezielle innere Druck nun nicht mehr da. Ich habe jetzt das erreicht, was ich mir immer erträumt und erarbeitet habe. Womöglich kommen deshalb die Qualitäten, die ich habe, besser zum Vorschein. Wobei ich in den Jahren zuvor bestimmt nicht schlecht gespielt habe.
Parierter Elfmeter in Wolfsburg ein ganz besonderer Moment
Wie erleben Sie insgesamt Ihre erste Bundesliga-Saison? Gab es ein, zwei, drei ganz besondere Momente oder Spiele?
Riemann: Sie ist etwas ganz besonderes. Samstags um 15:30 Uhr antreten zu dürfen – dieses Gefühl, herrlich! Ich genieße es Woche für Woche, speziell die Samstage. Die sind am schönsten, das ist für mich Bundesliga. Als Highlight-Momente würde ich meinen gehaltenen Elfmeter in Wolfsburg nennen, bei meinem Bundesligadebüt, nach ein paar Minuten. Meine erste Torvorlage in Hoffenheim werde ich auch nicht vergessen. Seit dem ersten Lockdown surft die ganze Mannschaft auf einer Erfolgswelle. Keiner lässt nach, die Gier, die Welle zu reiten, ist immer noch da.
Trainer Reis hat auch oft moniert, dass Ihre Vorderleute noch zu leise sind, zu wenig kommunizieren. Stimmen Sie ihm zu – und wie können Sie das als bekanntlich lautstarker Führungsspieler im Tor beeinflussen?
Riemann: Der Trainer wird damit recht haben. Ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, indem ich von meiner Perspektive aus die Vorderleute so positioniere, dass sie mir die Arbeit erleichtern. Wobei ich nicht nur kommunizieren kann, sondern mich auch noch auf mein eigenes Spiel konzentrieren muss.
Sie haben immer klar Position bezogen, sind als meinungsstarker Spieler bekannt, der vorangeht. Seit dem 0:3 in Leipzig haben Sie sich selbst verordnet, vorerst keine Interviews zu geben. Warum – und fiel Ihnen das eigentlich schwer?
Riemann: Die Frage nach dem Warum: Ich habe meine Meinung und die vertrete ich auch. Gerne auch ungeschminkt. Das kann dann zum Problem werden. Dazu kommt, dass man selten live nach den Spielen zugeschaltet wird. Man wird mit Fragen konfrontiert, die einen schlecht aussehen lassen können. Und diese Aussagen werden dann auch noch mal verkürzt wiedergegeben und das immer und immer wieder. Da habe ich keinen Bock drauf. Ich bin mit meiner Entscheidung ganz gut gefahren, auch innerhalb des Teams hat das für Beruhigung gesorgt. Es war aber kein Medienboykott, wie es zuweilen falsch dargestellt wurde.
Aufstieg und Klassenerhalt: Beide Leistungen sind herausragend
Welche Leistung ist für Sie die größere: der Aufstieg oder, wenn der VfL ihn schafft, der Klassenerhalt?
Riemann: Beide Leistungen sind herausragend, aber für sich zu betrachten. In der Zweiten Liga waren wir in der Spitzengruppe und wollten dort auch bleiben. Also mussten wir Woche für Woche abliefern. Das haben wir geschafft, obwohl die Erwartungshaltung sich verändert hatte und wir irgendwann automatisch als Favorit angesehen wurden. In der Bundesliga ist die Erwartungshaltung eine ganz andere. Hier sind wir der Außenseiter, die Überraschungsmannschaft.
Gegen Freiburg hat Bochum bereits zwei starke Spiele abgeliefert in der Liga und im Pokal. Was erwarten Sie für ein Duell im Breisgau am Samstag?
Riemann: Wie in fast allen Spielen erwarte ich ein Spiel auf Augenhöhe. Wir werden mit unserem Pressing versuchen, die Freiburger früh zu stören. Der SC wird versuchen, sich viele Torchancen herauszuspielen. Am Ende werden wir sehen, wer seiner Marschroute folgen kann. Interessant wird es auf jeden Fall.