Bochum. Viele Jahre hat Michael Eckardt für die WAZ über den VfL berichtet. Nun hat er etwas Abstand, ist aber im Stadion dabei. Hier ist Eckis Einwurf.
Manchmal merkt man erst so richtig, was einem gefehlt hat, wenn man es wieder erleben darf. Wenn es summt und brummt im Stadion, wenn die gespannte Erwartung auf den Rängen fast mit Händen zu greifen ist. Es waren, ich kann es nicht anders sagen, wunderbare erste Saisonwochen im Ruhrstadion.
Die Sonne schien, die Mannschaft war nach einem Jahrzehnt der schmerzhaften Abstinenz in die nationale Eliteliga zurückkehrt, und die Fans durften endlich wieder dabei sein, ihr Team unterstützen – laut, inbrünstig, euphorisiert und so begeistert wie begeisternd. Fantastisch.
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Die Stimmung auf den Rängen erinnerte die älteren Semester unter uns fast schon an selige Uefa-Cup-Zeiten, an die großen Flutlicht-Spiele in der Toppmöller-Ära gegen Amsterdam, Brügge, Trabzonspor. Damals musste, wer eine Karte haben wollte, früh auf- und anschließend lange anstehen.
Kompliment von Pal Dardai
Fußball halt, wie man ihn liebt und immer wieder haben will. Dass Pal Dardai, kürzlich mit Hertha BSC ziemlich glücklicher Sieger in Bochum, von der Atmosphäre im Ruhrstadion schwärmte und in diesem Zusammenhang vom Comeback des Bundesliga-Feelings sprach, darf man als Kompliment auffassen – vor allem natürlich an die VfL-Fans.
Die Fans werden auch in den kommenden Wochen und Monaten eine herausragende Bedeutung haben für Thomas Reis und die VfL-Akteure. Denn der Aufsteiger steht vor einer riesigen Herausforderung. Schaut man sich die wirtschaftlichen Kennzahlen an, stehen die Absteiger eigentlich bereits jetzt fest.
Dass jedoch finanzielle Potenz im Fußball nicht alles ist, darauf gründet sich die Hoffnung der aktuellen Underdogs aus Bochum und Fürth. Und sie ist berechtigt, die inzwischen nicht unbeträchtliche Verweildauer des HSV, des 1. FC Nürnberg oder von Hannover 96 in der 2. Liga ist dafür Beleg genug.
Mannschaft muss an ihr Limit gehen
Der Klassenerhalt von Arminia Bielefeld in der vergangenen Spielzeit auch, wenngleich die Ostwestfalen auf die umfassende Unterstützung durch die heimische Wirtschaft zählen dürfen und in dieser Angelegenheit im Vergleich zum VfL auch die Nase vorne haben dürften.
Die Hoffnung rund um die Castroper Straße wird besonders genährt und am Leben gehalten durch beherzte Auftritte der Mannschaft im eigenen Stadion. Um konkurrenzfähig zu sein und zu bleiben, muss diese Mannschaft häufiger an ihr Limit gehen als die meisten ihrer Gegner.
Behauptungswillen des Bochumer
Es gibt momentan überhaupt keinen Grund, sich weg zu ducken und klein zu machen. Der FSV Mainz 05 hat in sechs Saisonspielen erst drei Gegentore kassiert, immerhin zwei davon gehen auf das Bochumer Konto.
Zweimal hat der VfL inzwischen zu Null gespielt und dabei Nervenstärke und Widerstandsgeist bewiesen. Nach der 0:7-Packung in München die folgende Partie gegen Stuttgart ohne Gegentor zu beenden, ist allen offensiven Defiziten zum Trotz eine starke Antwort.
Dass Schlussmann Manuel Riemann nach dem Remis gegen den VfB enttäuscht war und die rhetorische Frage stellte, gegen wen man denn dann noch im eigenen Stadion gewinnen wolle, sollte als Folge seines Ehrgeizes interpretiert werden.
Das könnte man als überheblich einordnen, doch es zeigt vor allem den Behauptungswillen der Bochumer Spieler, wenn sie sich nicht zufrieden geben wollen mit Teilerfolgen und wenn sie mehr wollen als einfach nur mitzuspielen im Konzert der Großen.