Gelsenkirchen. Auch im eSport versucht Schalke 04, seineStars zu halten. An Tim Latka lässt sich das Millionengeschäft an der Spielekonsole gut erklären.
Er ist 20 Jahre alt und nennt sich Tim Latka, was ein bisschen irreführend ist, weil der Name nun gar nichts mit seinem Geburtsnamen Schwartmann zu tun. Vermutlich ist Tim Latka seit dem Abschied von Benedikt Höwedes der weltweit bekannteste Schalker Profispieler aktuell. Man wird aber seinen Namen niemals im Kicker-Sonderheft finden.
Auf Schalke tun sie trotzdem alles dafür, dass Tim Latka den Verein nicht ablösefrei verlässt. Man hat es bei Leon Goretzka erlebt: Der Spieler verlängert seinen auslaufenden Vertrag nicht und hinterlässt nach seinem Wechsel eine riesige Lücke im Profikader. Latkas Vertrag läuft in diesem Sommer aus. Bevor die Fragezeichen im Kopf größer werden: Er spielt eSports für Schalke 04.
Die Parallele zwischen der realen Fußballwelt und den Drückerkolonnen vor den Spielkonsolen ist manchmal belustigend. Seit die Deutsche Fußball-Liga im Januar mit 22 Klubmannschaften ihre erste virtuelle Bundesliga-Saison für Playstation und XBox gestartet hat, verliert eSports das Nerdhafte, fast will man sagen: das Spielerische.
18 Mann im Kader
Das Geschäft mit dem Spielehersteller EA Sports (Fifa19) spült an die 25 Millionen Euro auf die Konten der Fußball-Bundesligisten. Schalke 04, mit dem VfL Wolfsburg einer der Pioniere, ist dick im Geschäft. 18 Mann umfasst der Kader für eSports. Für jede Disziplin gibt es Spezialisten, allein zehn für League of Legends. Latka gehört zu den vieren, die Fifa19 ausreizen.
Derjenige, der den Laden in einer eigenständigen GmbH als „Chief Gaming Officer“ zusammen- und die drei Trainer bei Laune hält, heißt Tim Reichert. Der fast 40-Jährige sagt von sich selbst, dass er gleichzeitig Christian Heidel und Alexander Jobst sein muss. Er managt seit zweieinhalb Jahren den Kader und sieht zu, dass die Sponsoren ihre Investments gut angelegt wissen.
Bis zu 400.000 Zuschauern bei Übertragungen
Bis zu 400.000 Zuschauer sehen bei den Online-Übertragungen weltweit zu. Das ist mehr, als das real existierende Bundesliga-Mittelmaß bisweilen bei Sky-Übertragungen erlebt. „Jung“ und „digital“ nennt Reichert sein Publikum. Der Trend spielt ihm Steilpässe: Eine achtstellige Summe soll eSports mittelfristig für den FC Schalke erwirtschaften.
Für die ambitionierten Ziele muss einer wie Tim Latka, der aus dem Revier stammt und dank eSports eine Tellerwäscherkarriere vom Mini-Jobber zum Großverdiener hinlegte, unbedingt Schalker bleiben. Schon einmal lief Reichert ein Talent von der Fahne: Cihan Yasarlar spielt inzwischen für RB Leipzig. Man kennt das Phänomen auf Schalke ja.
„Man musste kein Genie sein, um Tim Latka zu entdecken“, sagt Reichert und erinnert sich, wie der Junge als Teenager ein Nachwuchsturnier auf Schalke dominierte und sofort anheuerte. Beim Sturmlauf an die Spitze der Weltrangliste wuchs beides: Fangemeinde und die Schar interessierter Klubs. Reichert wehrt sich: „Natürlich wollen wir ihn langfristig binden.“
500.000 Euro Ablöse
Langfristig heißt in dieser Branche: zwei Jahre Vertrag. Die höchste Ablösesumme, die bisher bei eSports gezahlt wurde, soll eine halbe Million Euro betragen haben. Das Gehalt wird mit Preisgeldern und Sponsoren aufgepeppt. Die besten Spieler kommen im Jahr auf Einnahmen im sechsstelligen Bereich.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Tim Latka inzwischen einen höheren Marktwert genießt als der Fußballprofi, von dem er einst den Spielnamen entlieh. Martin Latka kickte bis 2014 anderthalb Jahre bei Fortuna Düsseldorf. Der Name des Tschechen gefiel ihm. Eine perfekte Symbiose: Den Namen Latka kennt nun die ganze eSport-Welt.