Essen. Die Kämpfe des Box-Weltmeisters Wladimir Klitschko gehen seit neun Jahren gleich aus: Der Ukrainer siegt, so wie jetzt in Moskau gegen Alexander Powetkin. Dennoch schaltet ein Millionen-Publikum ein. Warum? Ein Kommentar.

Morgens geht die Sonne auf, im Winter fällt Schnee, und wenn Wladimir Klitschko in den Box-Ring steigt, krabbelt sein Gegner kurz danach auf dem Boden herum.

Dieser Automatismus funktioniert bei Klitschko seit neun Jahren. Seit der Niederlage 2004 gegen Lamon Brewster ist der Ukrainer ungeschlagen. Dem Mann gehen die Gegner aus. Es gibt keinen Boxer, der ihm gefährlich werden kann. Es gibt daher auch nicht mehr den Kampf, auf den man wartet. Ali gegen Foreman, Frazier gegen Ali, Tyson gegen Holyfield, alles Box-Geschichte.

Und trotzdem lockt Klitschko mit jedem Auftritt die Massen vor die Fernseher. Seinen Sieg in Moskau verfolgten in Deutschland rund zwölf Millionen Menschen vor den Bildschirmen. Und wieder sahen sie, was sie immer wieder sehen: einen Kampf, der durch die Überlegenheit Klitschkos langweilig wird.

Doch woher kommt dann die anhaltende Faszination?

Zum einen ist es das Star-Prinzip. Wladimir Klitschko war mit seinem Bruder Vitali im richtigen Moment an der richtigen Stelle. Beide eroberten die Bühne, als der Box-Boom um Henry Maske und Axel Schulz den Weg geebnet hatte. Die deutschen Helden wurden müde, die Nation verspürte jedoch keine Lust, auf das wiederentdeckte Boxen zu verzichten. Also adoptierte sie den Polen Dariusz „Tiger“ Michalczewski und die Klitschko-Brüder aus der Ukraine. Plötzlich waren die eloquenten Klitschkos wie die guten Bekannten von nebenan.

Und zwar die bärenstarken Bekannten. Denn auch das macht die Faszination des Boxens aus: Mann gegen Mann. Du oder ich! Viele ziehen sich auf den Standpunkt zurück, dass Boxen die edle Kunst der Selbstverteidigung sei. Wer aber je in einer ausverkauften Halle erlebt hat, wie das Publikum in dem Moment auf den Stühlen steht, in dem sich zwei Boxer gegenüberstehen, die beide den K.o. suchen, der weiß: Es kann auch mal nett sein, auf der Seite des Stärkeren zu sein.

Das ist bei Klitschko seit neun Jahren der Fall. Es sieht wahrlich nicht so aus, als würde sich daran in Kürze etwas ändern.