Barcelona.. Die Freistil-Weltrekordlerin Britta Steffen startet bei der Schwimm-Weltmeisterschaft in Barcelona nicht über ihre Spezialstrecke 50 Meter Freistil, ist aber nicht bereit, darüber zu reden. Steffen hat offensichtlich auf ihren Start verzichtet, obwohl man ihr alle Türen geöffnet hatte.

Die Beckenwettbewerbe der Schwimm-Weltmeisterschaft in Barcelona beginnen erst am Sonntag, aber schon dreht sich wieder einmal alles um Britta Steffen, weil die Weltrekordlerin jetzt doch nicht über ihre Spezialstrecke 50 Meter Freistil an den Start gehen wird. So sind die ohnehin sehr übersichtlichen Medaillenchancen des deutschen Teams noch kleiner geworden.

Als Britta Steffen im Januar 2009 bei „Wetten dass..?“ im eleganten Abendkleid auf der Promi-Couch saß, da beugte sich ein kleiner, aber ziemlich berühmter Mann zu ihr herüber und flüsterte der blonden Berlinerin etwas ins Ohr. Nein, Tom Cruise, der Hollywoodstar, wollte ihr nichts von der Scientology-Bewegung erzählen, er wollte ihr einfach nur sagen, dass er ihre Rennen während der Olympischen Spiele in Peking vor dem Fernsehschirm verfolgt habe. „Der kannte mich. Damit hätte ich nicht gerechnet“, wundert sich die Schwimmerin noch heute.

Eine typische Anekdote

Die Anekdote ist typisch für Britta Steffen. Sie nimmt sich nicht so wichtig, obwohl sie im Gegensatz zu ihrer früheren Trainingskollegin Franziska van Almsick auch bei Olympischen Spielen dieses so begehrte Gold gewonnen hat. Nicht einmal, sondern 2008 gleich zweimal, über 50 und 100 Meter Freistil. Aber obwohl die Doppel-Weltmeisterin von 2009 das Scheinwerferlicht scheut und am liebsten unbeachtet von der Öffentlichkeit nur ihre Rennen schwimmen würde, gerät sie gerade durch diese Scheu vor Beachtung in die Schlagzeilen. So auch jetzt bei der Weltmeisterschaft in Barcelona.

Startet sie, startet sie nicht? Das Rätselraten um Steffens Teilnahme über die kurze Sprintstrecke dauerte schon seit drei Monaten an. Bei der Qualifikation in Berlin hatte sich die Lebenspartnerin von Paul Biedermann wegen eines Infektes kurzfristig abgemeldet, so dass sich die Essenerin Dorothea Brandt (24,51 Sekunden) und Daniela Schreiber (25,24 Sekunden) die WM-Tickets sicherten.

Als sich dann Steffen bei einem Vorbereitungswettkampf mit der Weltklassezeit von 24,76 Sekunden zurückmeldete, begannen die Diskussionen und Spekulationen um eine Umbesetzung. Schreiber, die wie Steffen bei Frank Embacher in Halle trainiert, signalisierte die Bereitschaft, für ihre Vereinskollegin zu verzichten.

Der Vergleich mit Franzi van Almsick

Nachdem Bundestrainer Henning Lambertz vor einigen Tagen noch von einer „sehr großzügigen Geste von Daniela“ gesprochen hatte, entschied die deutsche Mannschaftsführung am Donnerstag, dass Brandt und Schreiber an den Start gehen werden. „Auf Britta Steffen“, ließ Lambertz ausrichten, „warten im Verlauf dieser WM viele Staffel- und Einzelrennen über 100 Meter Freistil.“ Steffen selbst wollte das Rätsel auch nicht auflösen, lächelte freundlich alle Fragen weg und beschränkte sich auf ein „Guten Morgen, Morgen, Morgen“.

Britta Steffen hat offensichtlich auf ihren Start verzichtet, obwohl man ihr alle Türen geöffnet hatte. Ihr Verhalten mögen viele als zickig beurteilen, aber es ist eher eine subtile Form von Unsicherheit. Zwei Vorfälle werden bei der Entscheidung der sensiblen Sportlerin eine Rolle gespielt haben. Zum einen die Episode ihrer ungeliebten früheren Teamkollegin, Franziska van Almsick, die 1994 in Rom erst Weltmeisterin über 200 Meter Freistil wurde, nachdem ihre Teamkollegin Dagmar Hase auf ihren Finalplatz verzichtet hatte. Damals drehte sich nichts mehr um van Almsicks Weltrekordzeit, sondern alles um die Frage, ob dies moralisch in Ordnung gewesen sei.

Zum anderen wirkt Steffens bizarrer Auftritt vor zwei Jahren bei der WM in Shanghai nach. Nach einem trotz des Gewinns der Bronzemedaille verpatzten Auftritt in der Freistilstaffel packte sie die Koffer und flüchtete in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Deutschland. Die Panik-Aktion kam nicht gut an. Nicht bei der Mannschaft. Nicht beim Verband. Sie habe das Team schützen wollen, sie habe die Kollegen nicht mit ihrer Tränenflut runterziehen wollen, sagt Steffen heute noch. Sie entschuldigte sich bei ihren Kolleginnen, lud sie zu einem „Mädchenabend“ ein und ließ sich sogar Ende 2012 gemeinsam mit Dorothea Brandt zur Aktivensprecherin ernennen.

Am Sonntag startet sie in der Staffel

Auch wenn sich Britta Steffen der Öffentlichkeit über die tatsächlichen Absage-Gründe nicht offenbart, wird sie innerhalb der Mannschaft Farbe bekennen müssen. Sie ist und bleibt eine Sphinx. Rätsel gibt sie im Becken und außerhalb des Beckens auf. Sie hat grenzenlos enttäuscht und gewaltig begeistert. Welche Britta Steffen in Barcelona an den Start gehen wird, ist schon am Sonntag in der Freistil-Staffel zu sehen. Steffen ist alles zuzutrauen. In jeder Hinsicht.