Essen. . Wenn es nach der Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) geht, soll für die Ringer nach den Sommerspielen 2016 in Rio Schluss sein. Doch die Ringer wollen das machen, was sie am besten können: kämpfen!

Es hat funktioniert wie beim Sankt-Florians-Prinzip: Herr, zünde nicht mein Haus an, sondern das Haus des Nachbarn.

Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees hatte sich in Lausanne getroffen, um eine Sportart für die Sommerspiele des Jahres 2020 aus dem längst zu groß gewordenen Programm zu streichen. Alle rechneten mit dem Modernen Fünfkampf, am Ende des Tages traf es aber aus dem Nichts die Ringer. Die Modernen Fünfkämpfer lehnten sich lächelnd zurück, die Ringer sind schockiert.

„Ich kann es gar nicht glauben“, ringt Alexander Leipold um Fassung. Leipold hat auf der Matte 21 deutsche Meistertitel gewonnen.

Die bewegenden Momente

Ausgerechnet Ringen, der Sport mit den Wurzeln in der Antike. Der Sport, mit den bewegenden Olympischen Momenten. Zum Beispiel 1972 in München. Wilfried Dietrich, den sie den Kran von Schifferstadt nennen, wuchtet den 190-Kilo-Koloss Chris Taylor in Rücklage über seinen eigenen Körper. Die Szene wird das berühmteste Ringer-Foto aller Zeiten. Was kaum einer weiß: Dietrich wird in München nicht Olympiasieger, er wird Vierter. Taylor gewinnt Bronze und stirbt nur wenige Jahre später im Alter von nur 29 Jahren.

Oder Olympia 2000 in Sydney. Der Russe Alexander Karelin hat schon drei Gold-Medaillen gewonnen, seit 13 Jahren ist er unbesiegt, er hat noch nie einen internationalen Kampf verloren. Eine Hüne, der sagt: „Der größte Gegner meines Lebens war ein Kühlschrank.“ Er hat den Kühlschrank beim Umzug nach Nowosibirsk alleine auf seinen Schultern in die achte Etage getragen. Ohne einmal abzusetzen. Sein Blick ist kalt wie Eisen, der US-Ringer Matt Ghaffari hat 22 Kämpfe gegen den Russen verloren und sagt: „Wenn er dich anfasst, kommt er unter deine Haut.“

Doch Karelin verliert das Finale von Sydney. Er ist als Riese auf die Matte gekommen, er verlässt sie als Väterchen Frust. Man möchte ihn in den Arm nehmen. Er trägt eine Kappe, vielleicht weint er.

Ohne Olympia wird es problematisch

Vorbei! Die Zeiten haben sich geändert, überall, auch im Ringen. Früher, als eine Kugel Schokoladeneis noch zehn Pfennig kostete, trugen die Vereine in Deutschland Namen wie ASV Heros Dortmund und mischten in der Bundesliga mit. Die Zuschauer strömten, die Scheinwerfer flammten auf: Licht und Matten. Doch selbst die Hochburgen wie Witten, in denen der KSV mit seinen deutschen Meistertiteln in Serie Stadtgespräch war, mussten aufgeben. 2009 zogen die Wittener ihr Team aus der Bundesliga zurück. Das Geld fehlte. In abgespeckter Version ging es über die Oberliga mittlerweile zurück in die Zweite Liga.

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Von Manfred Pichl

Doch ohne Olympia wird es in dem Sport durch die Entscheidung von Lausanne problematisch.

Sie hat einen Hintergrund: IOC-Präsident Jacques Rogge hat früher Rugby gespielt. Also hat er dafür gesorgt, dass Rugby – nach 1924 aus dem Programm verschwunden – zurückkehrt. Ebenso Golf. Da aber die Kapazität der Spiele längst an die Grenzen gelangt ist, musste ein Streichkandidat her.

Die Ringer kündigen Widerstand an

Die Exekutive kam dabei auf Ringen. Bei der Entscheidungsfindung gab es zur Wahl zwischen den 26 olympischen Sommersportarten 39 Kriterien. Sie reichten von den Fernsehquoten über den Eintrittskarten-Verkauf bis zum Umgang mit dem Thema Doping. So die offizielle Version. Die inoffizielle Version: Welcher Verband kann sich am schlechtesten wehren. Die Exekutive vermutet: die Ringer.

Ob es tatsächlich so kommt, ist offen. Die endgültige Entscheidung fällt erst im September bei der IOC-Vollversammlung in Buenos Aires. „Wir sind Kampfsportler“, sagt Benedict Rehbein, Vorstandsmitglied des Ringer-Verbandes. „Und wir werden die Entscheidung nicht kampflos hinnehmen.“