Kiew/Hamburg. Boxweltmeister Witali Klitschko will ins urkrainische Parlament: “Die Ukraine ist das korrupteste Land der Welt“, sagt der Schwergewichts-Champion. Klitschkos Ziel ist eine Demokratie, wie er sie in Deutschland oder den USA kennengelernt hat - mehr Einfluss der Bürger, faire Chancen für jeden und mehr Macht für die regionalen Regierungen.

Der Kampf diesmal ist anders. Da steht ihm kein anderer gegenüber, der versucht zu treffen und nicht getroffen zu werden. Den Witali Klitschko mit seiner schieren Größe beeindrucken kann und mit seinem Ruf. Der sich Regeln unterwerfen muss, auf die ein unparteiischer Schiedsrichter achtet. Diesmal machen die Gegner ihre eigenen Regeln. Und trotzdem stellt sich Witali Klitschko diesem Kampf: Am Sonntag kandidiert er mit seiner Partei "Udar" bei den Parlaments-Wahlen in der Ukraine.

"In der Ukraine kannst du jeden kaufen"

"In der Ukraine kannst du jeden kaufen. Jeden Richter, jedes Gerichtsurteil. Die Ukraine ist das korrupteste Land der Welt", sagt der Schwergewichts-Weltmeister der WBC, "wir müssen das ändern." Sollte er tatsächlich Erfolg haben, dann dürfte die sportliche Karriere nach 16 Profijahren mit 45 Siegen in 47 Kämpfen beendet sein. "Erst mal muss ich die Wahlen gewinnen", sagt er, "danach werden wir weitersehen."

Der 41-Jährige bereist seit Monaten sein Land im Wahlkampf. Er hält Reden, stockend, nicht flüssig, er ist kein Profi auf diesem Gebiet. Aber offenbar durchdrungen von seiner Mission. Von Demokratie, wie er sie in Deutschland und den USA kennengelernt hat. "Ukrainische, Demokratische Allianz für Reformen", UDAR, heißt die Partei. Das Wort bedeutet auch (Faust)-Schlag. Der Scherz sei ihm verziehen.

Klitschko: "Ich habe aus zurückliegenden Wahlen gelernt"

Zwei Prozent der Ukrainer wollten UDAR vor einem Jahr wählen, inzwischen sind es laut Umfragen 16 Prozent. Die Partei des umstrittenen Präsidenten Viktor Janukowitsch wurde eine Woche vor der Wahl noch mit 23 Prozent prognostiziert. Der Block "Vereinte Opposition" um die inhaftierte Julia Timoschenko hat angeblich 15 Prozent Unterstützung.

Klitschko und Timoschenko haben sich nun vor knapp zwei Wochen zusammengetan und jeweils Kandidaten zurückgezogen, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. "Ich habe aus zurückliegenden Wahlen gelernt", sagt Klitschko.

Zweimal hat er bereits vergeblich als Bürgermeister von Kiew kandidiert. Er stand bei der "Orangenen Revolution" an der Seite von Timoschenko vor den Hunderttausenden Demonstranten in Kiew. Sein politisches Interesse ist glaubwürdig. Die Kritik an den Zuständen in seiner Heimat spricht er bereits seit Jahren mit erstaunlicher Offenheit aus: "Es ist an der Zeit, in der Ukraine wieder eine demokratische Ordnung herzustellen."

Große Popularität hilft

Seine ungeheure Popularität durch den Sport mag ihm dabei helfen, seinen Standpunkt klar zu machen. Noch haben sich die Regierenden nicht an dem Weltmeister vergriffen wie bei Julia Timoschenko. Dabei könnten sie angesichts der Millionen-Einnahmen der Klitschkos wahrscheinlich irgendwelche Fälle von Steuerhinterziehung konstruieren - beispielsweise. "Ich wurde noch nie gekauft und ich habe in meiner sportlichen Karriere nie jemanden beschämt", sagt Klitschko, "ich gebe mein Wort, dass ich meinen Ruf und meinen guten Namen auch als Politiker behalte."

Kampf gegen Korruption, mehr Einfluss der Bürger bei staatlichen Entscheidungen, faire Chancen für jeden, mehr Macht für die regionalen Regierungen und die Förderung von EU-Standards sowie eine bessere Integration in die EU sind seine Haupt-Programmpunkte. "Ich wähle Klitschko, weil er einen eisernen Willen und einen starken Charakter hat", zitiert die "BBC" eine Rentnerin, "genau diese Person brauchen wir jetzt." (dapd)