Dortmund. . Der Super-Hengst Totilas wird dieser Tage nur im eigenen Stall bewegt, die Investion hat sich folglich nicht gelohnt. Der zehn Millionen Euro teure Dressurhengst wird bei den Olympischen Spielen in London nicht zu bewundern sein, Reiter Matthias Rath leidet unter dem Pfeifferschen Drüsenfieber. Sjef Jansson wird Totilas und Rath nach dessen Gesundung trainieren.
Für die einen war es das gekaufte Gold im Vorausblick auf London, die anderen sahen in dem Transfer von Totilas nach Deutschland nur die Umsetzung einer besonders lukrativen Vermarktung, als Paul Schockemöhle und Ann-Kathrin Linsenhoff die große Pferdekauf-Allianz eingingen. Knapp zwei Jahre später ist die Schadenfreude zumindest im Nachbarland Niederlande groß: Der zehn Millionen Euro teure Dressurhengst kann nicht in London sein Publikum verzaubern, sondern allenfalls bei Facebook auf der gut frequentierten eigenen Internetseite. Zu Hause aber in Kronberg wird er von Klaus-Martin Rath nun weniger zwanghaft bewegt als zuvor. Der 53-Jährige ist gelernter Reitlehrer, was ihn natürlich besonders qualifiziert, ein derartiges Ausnahmepferd zu reiten. In erster Linie ist Rath jedoch der Ehemann von Ann Kathrin Linsenhoff.
„Eher stellt sie ihn in den Garten, als Totilas zu verkaufen“, hatte Rath unlängst verkündet und damit der gesundheitlich bedingten Absage seines Sohnes Matthias Alexander die richtungweisende Erklärung seiner Gattin nachgeliefert. Man hat es eben nicht nötig. Geld spielt keine Rolle in und um den luxuriösen Schafhof am Taunus. Zuletzt wurde sogar ein Angebot des österreichischen Waffenhändlers Gaston Glock abgelehnt, der Totilas-Ausbilder Edward Gal mit dem Rückkauf des Wunderpferdes bescheren wollte.
Gold-Tradition wird vorerst nicht fortgeführt
Aber bei der einstigen Millionen-Erbin der heute zum Siemens-Konzern gehörigen Tachometerfirma VDO gibt es eben keine kommerziellen Zwänge – und schon gar nicht in Sachen Vermarktung. Nur die Bestrebung, die familiäre Olympiagold-Tradition - neben der Mutter Lieselotte war auch Ann Kathrin bei den Spielen siegreich – fortzusetzen. Doch diese ist erstmal gescheitert. Das Bedauern beschränkte sich selbstverständlich nur auf die Erkrankung des Stiefsohnes am Pfeifferschen Drüsenfieber, nicht aber auf das durchaus traurige Fehlen eines Ausnahmepferdes im Dressur-Viereck von London.
Matthias Rath selbst war Ende 2010 überraschend zum neuen Reiter des populären Hengstes bestimmt worden, von dem Marketing-Experten Paul Schockemöhle nach dieser finanziellen Liaison. Zuvor hatte der Niederländer Edward Gal als dreifacher Titelgewinner bei den Weltmeisterschaften in Kentucky mit Totilas große Begehrlichkeiten geweckt.
Das Pferde-Geschäft, das keiner so beherrscht wie der Mann aus Mühlen, schien in diesem Fall durchgängig lukrativ. Die Deckeinnahmen kassiert der ehemalige Springreiter, die sportlichen Meriten darf Frau Linsenhoff einsacken.
Es begann mit einer Huferkrankung
Doch so vieles stand von Anfang an unter keinem glücklichen Stern. Alles fing mit einer Huferkrankung des schwarzen Hengstes an, dann folgten eklatante Probleme im Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter. Was etliche Experten zu bitterbösen Kommentaren verleitete. Und als hernach noch die Trainingsmethoden kritisiert wurden, verlor das Traumpferd seine Magie. Vor allem, als der 12-Jährige derart rüde von seinem Reiter an die Kandare genommen und rustikal auf den Erfolgskurs zurückgeführt wurde, gab es laute Proteste auf dem Abreiteplatz. Aber dass der zwanghaft nach unten fixierte Pferdekopf längst keine Ausnahme ist, hatte auch schon mal die Dressur-Olympiasiegerin Anky van Grunsven aus den Niederlanden reittechnisch gezeigt.
Und deren Ehemann Sjef Jansson wird nun alsbald Totilas und Rath nach dessen Gesundung trainieren. Der Experte hatte selbstverständlich versucht, die Vorhaltungen in Sachen verbotener Rollkur zu entschärfen. Die käme für ihn nicht in frage, sagte der 62-Jährige in Erwartung einer lukrativen Ausbilderarbeit, „was wir machen, ist die Low-deep-round-Methode.“ Die ist vom Weltverband FEI genehmigt, aber nicht unumstritten.
Diskussionen um die Rollkur
Das eine sei Gewalt, das andere zwanglos, heißt es zwar erklärlich. Aber die Handhabung ist ähnlich, so dass die Diskussionen der tierliebenden Reitersleute kein Ende finden. Jansson weiß das zu relativieren. Aber auch die Deutschen, so der Niederländer, haben mit dieser Methode viele Medaillen gewonnen. Ein bisschen Zwang muss sein. Wie sagte auch Vater Rath? „Matthias muss dem Pferd erst einmal zeigen, wer das Sagen hat.“
Und um Dominanz im Sattel geht es schließlich auch in London. Wofür sich nunmehr Helen Langehanenberg, Kristina Sprehe, Dorothee Schneider und Anabel Balkenhol kräftig ins Zeug legen dürfen. Ihre Pferde heißen Damon Hill, Desperados, Diva Royal und Dablino und sind längst nicht so populär. Noch nicht. Aber ihren Reiterinnen scheint die Abstinenz des Superstars besondere Flügel verliehen zu haben. Ob mit Rollkur oder nicht, ist nicht erwiesen.