Dortmund. Ärger in Frauen-Handball-Abteilung von Borussia Dortmund: Trainer André Fuhr wurde vom BVB freigestellt. Die Hintergründe.
Auf das Miteinander hat Borussia Dortmund immer größten Wert gelegt. Ihm sei wichtig, dass der Verein eine Seele habe, hatte Präsident Reinhard Rauball in einem Interview mit dieser Redaktion gesagt. Der Jurist Rauball, der in seinen 23 Jahren im Amt viele Krisen gemeistert hat, muss sich nun in den letzten Tagen vor seinem Rückzug im November noch einmal als Versöhner beweisen. Denn in seinem Herzensverein herrscht Unruhe.
BVB: Keine Vorverurteilung von André Fuhr
In der Handball-Abteilung der Borussia sieht sich Damen-Trainer André Fuhr (51) mit schweren Vorwürfen von Spielerinnen der Bundesligamannschaft konfrontiert. Am Montag stellte der Verein den Cheftrainer des Deutschen Vizemeisters mit sofortiger Wirkung frei.
Die Vorwürfe hätten „eine Fokussierung des Kaders sowie der gesamten Abteilung auf den Handballsport nahezu unmöglich gemacht“, hieß es in der BVB-Mitteilung. „Die Entscheidung, André Fuhr freizustellen, ist ausdrücklich nicht mit einer Vorverurteilung verbunden.“
Anlaufstelle für Gewalt und Missbrauch im Spitzensport
Borussia Dortmund versprach, die Situation innerhalb der Handball-Abteilung „gegenwärtig gewissenhaft und gründlich“ aufzuarbeiten, schweigt aber weiter zu den Details der Vorwürfe. Der Rechtsanwalt von Fuhr, der Dortmunder Sportrechtler Prof. Markus Buchberger, geht hingegen an die Öffentlichkeit. In einer anwaltlichen Stellungnahme, die unserer Redaktion vorliegt, erwähnt er „Vorwürfe einer rassistischen und sexualisierten Art“ gegen Fuhr. Auch von „psychischer Gewalt“ ist die Rede. Die Vorwürfe allerdings sieht er aus Sicht seines Mandanten entkräftet.
Noch in den Tagen zuvor hatten Verein, Beteiligte und Berater in vertraulichen Krisengesprächen zunächst versucht, Gründe und Ausmaß dieses Zerwürfnisses zu sichten. Doch seit bekannt wurde, dass die Anlaufstelle für Gewalt und Missbrauch im Spitzensport eingeschaltet worden war, schossen die Spekulationen ins Kraut.
Spekulationen in den Sozialen Medien
Die BVB-Damen und Trainer Fuhr – diese Kombination hatte den Dortmundern bislang vor allem sportlichen Erfolg garantiert. Der Ostwestfale Fuhr, seit 2019 bei der Borussia, ist Handballer durch und durch. Mit ihm wurden die BVB-Damen in der Saison 2020/2021 Deutscher Meister, in der zurückliegenden Spielzeit kam die Borussia auf Platz zwei. Fuhr ist seit 2019 außerdem Juniorinnen-Nationaltrainer beim DHB, bei der EM der Frauen 2020 half er gar im deutschen Trainerteam aus.
Risse bekam die Verbindung Anfang des Monats, als die beiden Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger ihre Verträge bei der Borussia fristlos kündigten. Über die Gründe schwiegen sie, schalteten jedoch die Anlaufstelle für Gewalt und Missbrauch im Sport als Mediator ein. Was Beobachtern anfangs als Rechtsstreit um abwanderungswillige Spielerinnen erschien, weitete sich somit schnell zu einem Konflikt mit weitreichenden Folgen aus: In den Sozialen Medien und Handball-Foren werteten viele Kommentatoren dies als Hinweis auf einen Machtmissbrauch des Trainers.
Silvio Heinevetter: Schweine-Emoji bei Instagram
Torhüter und Handball-Star Silvio Heinevetter etwa veröffentlichte am Wochenende in seiner Instagram-Story zwei Fotos von BVB-Coach Fuhr und versah diese mit einem Clown- sowie Schweine-Emoji. Fuhr selbst hatte am Samstag im Auswärtsspiel seiner Mannschaft in Neckarsulm nicht mehr auf der Bank gesessen. „Der Trainer ist am Boden zerstört. Das ist eine menschliche Tragödie“, hatte BVB-Handball-Abteilungsleiter Andreas Heiermann gesagt. Wer die Mannschaft in Zukunft trainiert, ist offen.
Für Rechtsanwalt Buchberger ist die juristische Aufarbeitung des Falls nach der Freistellung von Fuhr nicht beendet. „Das, was gerade um ihn passiert, belastet ihn genauso schwer, wie es bei jedem anderen Menschen der Fall wäre“, schrieb Buchberger in einer Mitteilung. Angesichts negativer Beiträge in Sozialen Medien und Foren erwartet der Jurist „Schadenersatzverfahren wegen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte“ seines Mandanten. „Das sollte jeder wissen, der „einfach mal was schreibt“.
Jurist Buchberger sieht Folgen für tägliche Trainerarbeit
Sportrechtler Buchberger sieht in dem Fall Fuhr eine noch größere Dimension. Der Konflikt berühre „die Grenze zwischen fordernder Trainerarbeit und individuell empfundenen Grenzbereichen“. Ein hinzugezogener Experte, so Buchberger, habe in einem Krisengespräch darauf hingewiesen, dass auch "gelesene Gewalt" psychischen Druck auf Menschen ausüben könne. Buchberger: „Wenn man dem folgt, erhöht das die Anforderungen an tägliche Trainerarbeit im professionellen Mannschaftssport erheblich.“