Essen. Wieder einmal ist das 100-Meter-Finale der Höhepunkte der Leichtathletik-WM. Doch nicht jeder Top-Sprinter taugt zum Star. Ein Kommentar.
Um dem Mythos zu begegnen, muss man an diesem Wochenende sehr früh aufstehen. Zumindest als deutscher TV-Zuschauer. Die Frage, wer der schnellste Mann der Welt ist, wird in der Nacht zu Sonntag um 4.50 Uhr deutscher Zeit beantwortet. Das 100-Meter-Finale ist der erste Höhepunkt der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in den USA – und seit jeher ein knisterndes Spektakel.
Exzentrik gehört zur Magie des Sprints
Keine zehn Sekunden dauert es, bis der Sieger feststeht. Und doch ist dieses Rennen mehr als ein technisch perfektes Geradeaus-Sprinten. Es hat eine Faszination, weil die großen Fragen von Sieg und Niederlage wie unter dem Brennglas offengelegt werden. Der Bruchteil einer Sekunde entscheidet. Und es bietet Raum für die ganz große Show.
Sprinter gehören wie keine anderen Leichtathleten zu jenen Sportlern, die noch einmal wachsen, sobald das Scheinwerferlicht auf sie gerichtet ist. Eine gewisse Exzentrik gehört zur Magie dieser Disziplin.
Bolt punktete auch mit seiner Persönlichkeit
Doch es ist nicht immer einfach. Manche wie etwa der Kanadier Ben Johnson 1988 erlagen der Dopingversuchung. Es ist ein schmaler Grat zwischen Selbstbewusstsein und Größenwahn. Und keiner konnte auf diesem so leichtfüßig tänzeln wie Usain Bolt. Der 35 Jahre alte Jamaikaner hält noch immer den Weltrekord, seine Rennen waren Machtdemonstrationen.
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Doch seinen Status als Superstar verdankt er auch seiner Persönlichkeit: Er genoss nicht nur die Show, er war die Show. Ihm gelang es, verschmitzt grinsend mit dem Publikum zu feixen und beim Startschuss trotzdem perfekt abzuliefern. Wer so eine natürliche Lockerheit mit sich bringt, dem fliegen die Sympathien leichter zu als einem verkrampften Ehrgeizpaket.