Essen. Tatjana Maria hat in Wimbledon begeistert. Hier spricht sie im Interview über ihr Erfolgsgeheimnis und ihre Rolle als spielende Mutter.

Tatjana Maria und Jule Niemeier haben in Wimbledon begeistert. Im Viertelfinale trafen beide dann sogar aufeinander, mit dem besseren Ende für Tatjana Maria. Für sie war dann im Halbfinale gegen Ons Jabeur Schluss. Am Samstag wurden die beiden zusammen Deutsche Meisterinnen in der Bundesliga. Im Interview spricht Tatjana Maria über ihre Zeit in Wimbledon, die Tennis-Bundesliga und darüber, warum Ons Jabeur so ein wichtiges Vorbild ist.

Frau Maria, Sie sind direkt aus Wimbledon nach Essen gekommen. Wann war für Sie klar, dass sie am Samstag auch für den TC Bredeney spielen?

Tatjana Maria: Ich habe die ersten vier Spiele für die Bundesliga-Mannschaft gemacht. Ich hab direkt gesagt: Wenn ich nicht im Wimbledon-Finale stehe, dann werde ich hier am Samstag sein. Für mich ist es normal, mein Team hier anzufeuern.

Sie kamen selbst jetzt doch nicht zum Einsatz:

Tatjana Maria: Genau, weil ich eine kleine Verletzung habe. Nichts Schlimmes. Ich wollte kein Risiko eingehen, weil ich noch ein Turnier in Lausanne spiele nächste Woche. Da möchte ich noch wichtige Punkte für die Weltrangliste holen, um bei den US Open sicher im Hauptfeld zu sein.

Haben Sie denn schon verarbeiten können, was in Wimbledon alles passiert ist?

Tatjana Maria: Ich glaube, noch nicht so richtig. Ich bin immer noch in diesem Flow drin, dass ich immer einfach weitermache. Da gab es noch nicht so viel Zeit, das zu verarbeiten Aber ich glaube, wenn in den nächsten Tagen der Druck abfällt, dann werde ich das Ganze erst richtig realisieren können.

Konnten Sie in Wimbledon befreit aufspielen, weil zu Beginn die Aufmerksamkeit vielleicht mehr auf Angelique Kerber oder Andrea Petkovic lag?

Tatjana Maria: Mit Aufmerksamkeit hat das glaube ich gar nicht so viel zu tun. Jeder geht irgendwie seinen eigenen Weg auf der Tour und mein Weg ist eben der mit meiner Familie. Die ist für mich das Wichtigste. Klar, Tennis ist auch wichtig und ich möchte natürlich auch für meine Familie gut spielen und für meine älteste Tochter Charlotte ein gutes Vorbild sein. Für mich ändert sich zum Glück nicht so viel, ich wechsel immer noch die Windeln, gehe normal im Supermarkt einkaufen. Ich habe meine Familie, ob ich in der ersten Runde verliere, oder im Halbfinale stehe. Wir versuchen zusammen die Zeit genießen.

Hätten Sie zu Beginn von Wimbledon gedacht, dass Sie auf Jule Niemeier treffen werden? Oder haben Sie vielleicht scherzhaft gesagt: Wir treffen uns im Viertelfinale?

Tatjana Maria: (lacht) Nein. Ehrlich gesagt habe ich mich erstmal auf mein erstes Spiel konzentriert und da lag ich ja auch schon zurück. Ich habe erst im dritten Satz gewonnen. So zog sich das ja durch das ganze Turnier. Jede Runde in so einem Grand-Slam-Turnier ist super schwer. Da habe ich nie weiter als eine Runde geschaut. Wir beide haben, glaube ich, versucht, das Turnier zu genießen. Im Viertelfinale waren wir beide aber sehr nervös.

Sie haben beide ein sehr spannendes und auch interessantes Match gezeigt. Nicht wie das sonst so verbreitete Grundlinien-Powertennis. Sie unter anderem mit ihrem gefürchteten Vorhand-Slice, Jule Niemeier mit ihrem starken Netzspiel und den Stopps. Braucht das Damentennis mehr solcher Spielerinnen?

Tatjana Maria: Ich würde ‚ja‘ sagen. Zu unserer Spielweise habe ich viele Nachrichten bekommen. Wie spannend und unterhaltsam das Match war. Es kommen ja jetzt ein paar mehr Mädels auf die Tour, die eben nicht nur Bumm-bumm-Powertennis spielen. Ons Jabour spielt ja beispielsweise auch ein bisschen abwechslungsreicher. Harmony Tan hat mit ihrem Spiel Serena Williams aus dem Turnier geworfen. Es freut mich persönlich sehr, dass es jetzt wieder mehr von diesem abwechslungsreichen Tennis gibt und ich denke, es ist auch wichtig für den Tennissport. Ich sage immer: Anders sein ist überhaupt nicht schlimm. Man kann ja auch durch die Spielweise anders sein und es ist eben nichts verkehrt daran. Vielmehr kann man auch so erfolgreich sein. Das versuche ich auch meiner Tochter zu vermitteln.

Jetzt haben Sie den größten Erfolg ihrer Karriere gefeiert, wie bitter ist es für Sie, dass Sie jetzt in Wimbledon keine Punkte bekommen?

Tatjana Maria: Zum Beginn dieses Jahres war mein Ziel, meine bisher beste Platzierung zu unterbieten. Das ist Rang 46. Mit dem Halbfinale in Wimbledon wäre ich da wahrscheinlich schon fast gewesen. So habe ich jetzt gerade die Top 100 geknackt und muss kämpfen, dass ich bei den US Open ins Hauptfeld komme. Natürlich ist es schade und vermutlich hätte ich mit meiner kleinen Verletzung jetzt auch pausiert, aber in Lausanne möchte ich auf jeden Fall noch wichtige Punkte holen, um in New York im Hauptfeld zu sein. Was ich aber auf jeden Fall jetzt weiß, ist, dass ich da oben mitspielen kann. Deswegen hoffe ich, dass ich dieses Selbstvertrauen jetzt mitnehmen kann in die nächsten Spiele.

So ähnlich wird es wahrscheinlich auch Jule Niemeier gehen. Was haben Sie sich am Netz nach ihrem Spiel gesagt?

Tatjana Maria: Ach, das war unglaublich. Jule hat sich sehr für mich gefreut, und ich habe anschließend auch ihre Eltern getroffen und die haben sich auch wirklich für mich mitgefreut. Das war ein wunderbarer Moment und sehr schön zu sehen. Dieses miteinander freuen, das ist, glaube ich, in den vergangenen Jahren so ein bisschen verloren gegangen auf der Tour.

Sie hatten auch mit Ons Jabeur nach ihrem Spiel einen tollen Moment auf dem Platz. Sie sind ja auch gut befreundet. Das ist ja nicht immer so üblich auf der Tour, wie Sie es schon angesprochen haben.

Tatjana Maria: Ja. Ons… ist einfach Ons. Sie ist so ein super Vorbild fürs Tennis. So natürlich, bodenständig, nett und freundlich. Ich finde das ganz wichtig. Auch für die Kinder. Damit die sehen können: Auch so kann man sein und dabei erfolgreich. Man muss nicht abgehoben sein. Also auch für mich als Elternteil finde ich es super wichtig. Meine Töchter sind mit auf der Tour und sehen dann natürlich, wie die Spielerinnen sich verhalten.

Sie sprechen Ihre Töchter an: In den vergangenen Tagen wurden Sie immer wieder als tennisspielende Mama hervorgehoben, weil Sie ja damit bisher eine der Ausnahmen sind.

Tatjana Maria: Ich bin gerne Mutter und ich spreche da auch gerne drüber. Ich habe in den letzten Tagen so viele Nachrichten, auch von vielen Müttern bekommen. Dass sie zum Beispiel eine schlechte Nacht mit ihrem Kind hatten und dann haben sie mich gesehen und dachten: ‚Wenn die das packt, dann schaff ich das auch.‘ Oder sowas wie: ‚Wir Mamas sind stark.’ Das hat mich unglaublich gefreut.

Würden Sie sich wünschen, dass es irgendwann ganz normal ist als Mutter auf der Tour zu sein?

Tatjana Maria: Ich gehe davon aus, dass es in Zukunft mehr Mütter auf der Tour geben wird. Weil wir auch einfach länger Tennisspielen können. Und ich denke, dass es sehr, sehr wichtig ist, eine Familie zu haben. Deswegen bin ich sehr stolz, dass ich da ein Vorbild sein kann.

Ein Vorbild sind Sie auch auch hier in der Tennis-Bundesliga. Was macht den TC Bredeney für Sie aus?

Tatjana Maria: Ich finde es toll, dass wir viele deutsche Spielerinnen hier im Klub haben, die sich auch mit dem Verein identifizieren können. Das Mannschaftsgefüge passt sehr gut, und darum war für mich auch gleich klar, dass ich kommen werde. Umso schöner, dass wir jetzt Deutscher Meister sind, denn ich halte die Bundesliga für den Deutschen Tennissport sehr wichtig.

Warum?

Tatjana Maria: Viele Vereinsspieler spielen ja in Mannschaften und sie schauen auch gerne gutes Tennis. Bei der Bundesliga kann man wirklich sehr nah dran sein an guten Spielerinnen und Spielern. Und ich freue mich natürlich, dass Jule und ich zumindest am Samstag vielleicht noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für die Bundesliga gebracht haben.