Balve. Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl liefern sich harte Duelle im Dressurviereck. Beide gehören auch bei Olympia zu den Favoriten.

Der Blick auf diese nackten Zahlen müsste eine wie sie nerven, kolossal nerven, das kann man so sagen. Doch Isabell Werth, die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt, lachte. Und lachte. Und versprühte gute Laune nach der Deutschen Meisterschaft in Balve, bei der die Rheinbergerin dreimal hinter dem deutschen Shooting-Star in ihrer Disziplin, Jessica von Bredow-Werndl, auf dem zweiten Platz gelandet war. Denn es sind andere nackte Zahlen, die für Werth zählen, als sie das Sauerland erstmals seit drei Jahre ohne Titel verlässt.

Und diese Zahlen wiederum zementierten auch ein breites und zufriedenes Grinsen in das Gesicht der Bundestrainerin Monica Theodorescu. „Ich war wirklich sehr, sehr beeindruckt, wie gut die Pferde schon sind – und wie gut sie auch am dritten Tag noch sind, motiviert und frisch. Es wurde fantastisch geritten“, sagt sie im Wissen, dass bereits in Balve der Kampf um Olympia-Gold begann.

Kampf der Generationen

Die Titelkämpfe im Sauerland sind in der Dressur eine von nur zwei nationalen Sichtungsstationen für die Olympischen Sommerspiele in Tokio (23. Juli bis 8. August). Die zweite folgt Ende Juni. Aber Jessica von Bredow-Werndl und ihre Stute Dalera gelten bereits ebenso als gesetzt wie Isabell Werth und ihr Herzenspferd Bella Rose. Das dritte Ticket nach Tokio werden Dorothee Schneider und Showtime erhalten, die in Balve sowohl in der Eröffnungsprüfung, dem Grand Prix, als auch in den Entscheidungen um die Titel im Grand Prix Special und in der Kür auf Platz drei ritten.

Mehr als das schnöde Erreichen eines Startplatzes in Tokio wird dieses Trio in den kommenden Wochen deshalb etwas anderes beschäftigen: Die Damen und ihre Vierbeiner müssen die aktuelle Form halten, sie möglichst noch ein wenig verbessern. Obwohl, das zeigt sich in Balve an den wirklich interessanten nackten Zahlen: Nach oben sind Steigerungen lediglich noch in Nuancen möglich.

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Besonders die Auftritte in der Kür sorgten für Gänsehaut-Momente und vor Begeisterung stockendem Atem bei Experten und Zuschauern rund um das Dressurviereck. Das Generationenduell zwischen der 35 Jahre alten Jessica von Bredow-Werndl aus Aubenhausen nahe Rosenheim und der 16 Jahre älteren Isabell Werth vom Niederrhein mutierte zum Krimi.

Mit ihrer 17-jährigen Fuchsstute Bella Rose legte Werth vor. Und wie: 90,975 Prozent erhielt das Duo, eine persönliche Bestleistung für das Paar. „Heute konnte man in den ersten 30 Sekunden sehen, dass sie etwas verunsichert war“, sagte Werth anschließend über Bella Rose, für die Balve allerdings das erst zweite Turnier nach einer über einjährigen Pause war. „Es ist sehr erfreulich, wie sich Bella gesteigert hat“, erklärte Werth, grinste und ergänzte: „Das war der Wunsch, das war das Ziel.“ Mission erfüllt.

Blick auf Tokio

Werth verlor zwar ungern, aber die sechsmalige Olympiasiegerin wusste dank jahrzehntelanger Erfahrung: Die Mannschafts- und die Einzelentscheidung in Tokio – das ist das, was in diesem Jahr wirklich zählt.

Jessica von Bredow-Werndl wird zum ersten Mal bei Olympischen Spielen satteln. Das ändert nichts daran, dass sie mit ihrer traumhaften Stute Dalera seit Balve zum Kreis der Medaillen-, wenn nicht sogar Goldkandidaten zählt. Verantwortlich dafür sind die unglaublichen 93,025 Prozent, welche das Paar für die perfekte Kür zu den Klängen der Filmmusik La-La-Land erhielt, mit der es Werths Angriff auf den zweiten Titel am Wochenende abwehrte. 93,025 Prozent – sind der neue persönliche und nationale Bestwert. International wurden nur Großbritanniens dreimalige Olympiasiegerin Charlotte Dujardin und ihr legendärer Valegro jemals besser bewertet.

Wachablösung noch nicht geklärt

„Ich wünsche mir die guten Nerven, die man braucht, um bei Olympia zu bestehen“, sagte „JBW“ deshalb in Balve, weil sie ahnte, wie groß der Druck nun bis und in Tokio werden wird: „Dalera und ich sind in einer richtig guten Form. Die mentale Stärke ist sicher ein Schlüssel. Wir werden jetzt nach Hause fahren, die Ritte analysieren und schauen, was man noch verbessern kann.“

Denn auch von Bredow-Werndl ist bewusst: Selbst die nationale Wachablösung von Werth zu ihr wird trotz des Sieg-Triples erst in Zukunft stattfinden, wenn überhaupt. Auf Platz vier der Kür-Wertung der DM rangierte mit 85,250 Prozent nämlich wer? Isabell Werth mit Quantaz, einem potenziellen Nachfolger für ihre Top-Stuten Bella Rose und Weihegold. „Bei Quantaz bleiben kaum Wünsche offen, seine Entwicklung ist rasant und sehr gut. In einem halben Jahr wird er sicherlich ein Kracher sein“, sagte seine Reiterin. Und lachte.