Melbourne. Dramatischer Tag bei den Australian Open in Melbourne: Die Zuschauer werden ausgesperrt, Titelfavorit Djokovic wankt und Zverev siegt.

Es war ein deprimierendes, verstörendes, aber auch historisches Bild, das sich am späten Freitagabend in der berühmten Rod Laver-Arena zu Melbourne bot. Das Drittrunden-Spiel der Australian Open zwischen Titelfavorit Novak Djokovic und dem Amerikaner Taylor Fritz war noch in aller Dramatik im Gange, da wurden die Fans um 23.30 Uhr höflich, aber sehr bestimmt zum sofortigen Verlassen des Centre Court aufgefordert.

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Grund der denkwürdigen Zwangsräumung war der nächste eisenharte, ruckzuck angekündigte  Lockdown in der Millionenmetropole, der um 0 Uhr für die nächsten fünf Tage in Kraft trat – und der allen Bewohnern vorschrieb, bis Mitternacht in den eigenen vier Wänden zu sein. 

Und so bekamen die Tennisfans in Melbourne nicht mehr mit, wie sich Titelfavorit Djokovic trotz einer Bauchmuskelverletzung mit 7:6 (7:1), 6:4, 3:6, 4:6, 6:2 gegen Fritz durchsetzte. Beim Stand von 1:2 im dritten Satz hatte der 33 Jahre alte Serbe den Platz verlassen, um sich behandeln zu lassen. Danach quälte er sich unter Schmerzen durch die Partie. „Ich habe einfach versucht, im Spiel zu bleiben. Das ist definitiv einer der speziellsten Siege meiner Karriere, dass ich das unter diesen Umständen noch geschafft habe“, sagte Djokovic. „Daran werde ich mich immer erinnern.“ Er wisse aber noch nicht, ob er zu seinem Achtelfinalmatch gegen Milos Raonic (Kanada) antreten kann. „Ich weiß nicht, ob ich mich in weniger als zwei Tagen davon erholen werde. Ich weiß nicht, ob ich wieder auf den Platz gehen kann oder nicht.“

In den kommenden Tagen ohne Zuschauer

Kurz zuvor hatten die Tennisfans in der nebenan gelegenen John Cain-Arena noch einmal ein lautes, schrilles Spektakel wie in den alten Australian Open-Zeiten erlebt. Aber die 4:6, 4:6, 6:3, 6:4 und 6:4-Aufholjagd von US Open-König Dominic Thiem gegen den genial-verrückten Lokalmatador Nick Kyrgios und gegen eine aufgeheizte Kulisse könnte womöglich schon der große emotionale Höhepunkt des Grand Slam-Eröffnungsturniers der Saison 2021 gewesen sein – denn die Spiele gehen zwar weiter per Sonderregelung, aber mindestens bis zum nächsten Mittwoch sind nun überhaupt keine Zuschauer auf der Anlage am Yarra River zugelassen.

Was danach kommt, eine Lockdown-Verlängerung, doch wieder Tennis vor einer sehr limitierten Anzahl von Zuschauern – das weiß keiner. „Wir werden weiter eng mit der Regierung zusammenarbeiten, um die Gesundheit und Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten“, sagte Turnierboss Craig Tiley, der in den letzten Monaten alle Hebel und politischen Kontakte genutzt hatte, um das Turnier überhaupt zu veranstalten.

Infektionsausbruch in einem Quarantänehotel

Anlass des jüngsten Lockdowns war der Infektionsausbruch in einem Quarantänehotel am Flughafen Tullamarine – dort hatten sich 13 Personen mit der britischen Corona-Mutante aufgehalten und teils untereinander angesteckt.

Für die Tennis-Karawane bedeutete der Lockdown die Rückkehr in die neue Normalität – das Leben in der sogenannten Bioblase. Die Spieler würden in eine Situation zurückkehren, „die sie aus der letzten Zeit kennen“, sagte Tiley, „sie werden sich nur zwischen Hotel und Anlage bewegen und keine weiteren Kontakte haben.“

Lockdown verschärft die finanziellen Konsequenzen

 Für die Turnierverantwortlichen war es dennoch auch ein weiterer Rückschlag in ihrem verzweifelten Bemühen, das Major-Turnier möglichst störungsfrei in der herausfordernden Corona-Gesamtlage auszurichten – immerhin hatte es schon in der Vorbereitungsphase Probleme mit Corona-Fällen auf den speziellen Charterflügen nach Australien gegeben. Damals hatten sich mehr als 70 Spielerinnen und Spieler in eine härtere Qurantäne begeben müssen, darunter auch Ex-Nummer 1 Angelique Kerber.

Der Lockdown verschärft nun auch die finanziellen Auswirkungen für die Australian Open. Trotz erheblicher Kosten für das Hygienekonzept und die Charterflüge hatte das Grand Slam-Management keine Kürzungen am Preisgeld vorgenommen – wohl auch, um vielen Absagen von Stars und Sternchen vorzubeugen.

Ausgangssperre in der Millionenstadt Melbourne

 Doch der Lockdown sorgt nun für weitere tiefe Einschnitte im Budget: Nach der eher verhaltenen Besucherresonanz der ersten Turniertage (das Kontigent von 30.000 Fans wurde nie ausgeschöpft) fehlt nun jegliches Ticketgeld von Samstag bis Mittwoch, geschätzt bis zu 20 Millionen australische Dollar. „Es werden jetzt erstmal schwere Tage kommen, für alle“, sagte Turnier-Mitfavoritin Serena Williams, „wir waren gerade so froh, wieder Zuschauer auf den Rängen zu sehen. Es ist sehr schade für die Organisatoren, die alles gegeben haben für das Turnier.“

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Vom Lockdown betroffen sind in Melbourne rund fünf Millionen Menschen. Schulen und Geschäfte werden bis einschließlich Mittwoch geschlossen sein, Restaurants dürfen nur Lieferservice anbieten. Die eigene Wohnung dürfen die Bewohner nur aus dringenden Gründen verlassen, außerhalb der eigenen vier Wände gilt eine Maskenpflicht.

Kritik an der Bundesregierung Victorias

 Erneut gab es am Freitag Kritik an der Bundesregierung Victorias und an Premier Dan Andrews, der die Australian Open offenbar „um jeden Preis“ zu Ende bringen wolle – die Vorwürfe konzentrierten sich dabei auf die Einstufung der Tennisprofis als „essential workers“ (unerläßliche/wesentliche Arbeitnehmer) und der Turnieranlage als „Arbeitsplatz.“

Im Achtelfinale: Alexander Zverev setzte sich in drei Sätzen gegen den Franzosen Adrian Mannarino durch.
Im Achtelfinale: Alexander Zverev setzte sich in drei Sätzen gegen den Franzosen Adrian Mannarino durch. © Unbekannt | Unbekannt

Deutschlands Nummer eins, Alexander Zverev, äußerte nach seinem glatten 6:3, 6:3, 6:1-Sieg über den Franzosen Adrian Mannarino die Hoffnung, „dass ab nächstem Donnerstag wieder Fans dabei sein werden: „Da macht es einfach viel mehr Spaß. Die Geisteratmosphäre ist unschön.“ Zverev tritt am Sonntag dann ohne Zuschauer zu seinem Achtelfinalmatch gegen den Serben Dusan Lajovic an.

Währenddessen wurde bekannt, dass sich der Kölner Andreas Mies einer Knieoperation unterziehen musste, der Rheinländer, der zusammen mit Kevin Krawietz die French Open 2019 und 2020 gewonnen hatte, fällt für etwa sechs Monate aus. Damit gerät auch die Olympiateilnahme des Erfolgsduos in Gefahr.