Essen. Johannes Bitter ist einer der letzten aktiven Handball-Weltmeister von 2007. Der Torwart ist auch bei der WM in Ägypten dabei – und fordert viel.
Es war im Januar 2020, als sich die Blicke wieder vermehrt auf Johannes Bitter richteten. In Norwegen, Österreich und Schweden wurde die Handball-Europameisterschaft gespielt, und während der war der Torhüter häufig ein Thema: Von „Jogi Löw“ wurde in Fernsehinterviews gesprochen, der Name „Joachim Bitter“ fiel auch immer wieder. Die eigenen Teamkollegen hatten ihm beim Aufwärmtraining Fußbälle ins Gesicht geschossen, die Gegner ihm in Spielen die Handbälle um die Ohren gepfeffert. Johannes Bitter aber blieb immer cool, er lächelte über alles hinweg. Er, den sie nur Jogi nennen, der erfahrene Routinier im deutschen Handball-Nationalteam, einer der letzten noch aktiven Weltmeister von 2007.
Nun, ein Jahr später, ist Bitter noch immer Teil der Nationalmannschaft. Das Lächeln fällt dem 38-Jährigen nicht mehr ganz so leicht nach den zurückliegenden Monaten der Pandemie. Am Sonntag geht es in Köln noch einmal gegen Österreich in der EM-Qualifikation (18.10 Uhr/ARD), am Mittwoch beginnt die WM, am Freitag werden die deutschen Handballer ihr erstes Spiel gegen Uruguay bestreiten. Das Turnier ist umstritten, doch Bitter sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Die WM ist für den Handballsport trotz aller Bedenken existenziell wichtig.“
Bitter ist engagiert in Spielergewerkschaft
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Johannes Bitter geht als Nummer zwei in die Vorrunde in Kairo, er unterstützt Stammtorhüter Andreas Wolff. Bitter spielt bisher eine starke Saison, die Statistik weist ihn nach gehaltenen Bällen hinter dem Dänen Mike Jenen aus Balingen-Weilstetten aktuell als zweitbesten Torhüter der Bundesliga aus. Doch Johannes Bitter ist nicht nur Torhüter, er ist auch Vorstand der deutschen Handball-Spielergewerkschaft Goal, die in den vergangenen Monaten mit anderen europäischen Profivertretungen auf unverzichtbare Hygienestandards gedrungen hat. Doch genau die bereiten weiter Sorgen. Unter anderem haben Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Finn Lemke ihre WM-Teilnahme in Pandemiezeiten abgesagt, dem deutschen Team fehlt das Herzstück der Abwehr.
Während Andreas Wolff sich jüngst in einem Podcast über den WM-Verzicht der gestandenen Leistungsträger mokierte („Dass sie das Turnier fahren lassen, nachdem sie permanent in der Champions League aktiv waren, stört mich“), sieht Bitter dies anders. „Das ist ihr gutes Recht. Auch ich habe meine Nationalmannschaftskarriere vor zehn Jahren vorübergehend beendet, als unsere Kinder noch klein waren und meine Familie meine Unterstützung brauchte.“ Die Lust auf die WM sei noch immer vorhanden, „sonst würde ich nicht antreten“, sagt Bitter.
Zuschauer sollen erlaubt sein
Die europäische Spielergewerkschaft E.H.P.U. hatte am Mittwoch im Namen der Kapitäne und aller Spieler der europäischen Nationalmannschaften ein Schreiben an den ägyptischen Weltverbandspräsidenten Hassan Moustafa verfasst, mit der Bitte, während der WM auf Zuschauer zu verzichten. Derzeit ist der Plan der Organisatoren, die Hallen mit bis zu 30 Prozent der Kapazitäten zu füllen. Bitter ist nicht begeistert: „Vor Zuschauern zu spielen ist nicht nur wegen der zusätzlichen Gesundheitsrisiken absurd, auch angesichts der Lage in unseren Heimatländern, in denen die Menschen ihre Wohnungen möglichst nicht verlassen sollen.“
Sicher ist derzeit nur, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Trotz eines ausgeklügelten Hygienekonzeptes hatte sich Bitter im November im Rahmen der EM-Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft in Estland mit Sars-CoV-2 infiziert. „Die Hygienebedingungen in unserer Lehrgangswoche und in Tallinn waren noch besser als in der Bundesliga“, sagt der Routinier kopfschüttelnd. Kürzlich hatte er sich noch einmal untersuchen lassen, organisch sei alles in bester Ordnung, alle Blutwerte seien gut. „Ich schmecke und rieche zwar noch nicht alles, habe aber nicht mehr die anfänglichen Kopf- und Gliederschmerzen. Beim Sport spüre ich keine Leistungseinschränkungen.“ Eine Voraussetzung für eine mögliche Überraschung in Ägypten. Bitter: „Vielleicht hilft es aber, dass niemand große Erwartungen an uns stellt. Eine gewisse Leichtigkeit und Lockerheit hat noch keinem Team geschadet.“